Gemäß § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO soll eine gesonderte und einheitliche Feststellung in Fällen untergeordneter Bedeutung unterbleiben. Hierbei ist nicht die Höhe der Einkünfte oder Besteuerungsgrundlagen maßgeblich, sondern ob und inwieweit entweder eine ungleichmäßige Besteuerung oder aufwendige Ermittlungen in den Steuerfestsetzungsverfahren drohen. Ein Feststellungsverfahren soll danach unterbleiben, wenn der relevante Sachverhalt leicht überschaubar ist und die Feststellung zur Höhe und zur Aufteilung der Einkünfte und Besteuerungsgrundlagen keine Zweifel hervorrufen kann und auch keine späteren Änderungen, beispielsweise aufgrund einer Außenprüfung, zu erwarten sind (BFH v. 12.11.1985 – IX R 85/82, BStBl. II 1986, 239).
Eheleute: Die Voraussetzungen für ein Absehen von einer gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 180 Abs. 3 AO liegen häufig, aber nicht immer vor, wenn die Beteiligten als Ehepartner zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Wenn sich die Frage stellt, ob die Ehegatten Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG sind, ist sie stets im Rahmen eines Feststellungsverfahrens zu entscheiden (BFH v. 1.7.2003 – VIII R 61/02, BFH/NV 2004, 27). Fälle von geringer Bedeutung, in denen gem. § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO eine gesonderte Feststellung entfallen kann, sind in der Praxis oft bei Mieteinkünften von zusammenveranlagten Eheleuten (BFH v. 20.1.1976 – VIII R 253/71, BStBl. II 1976, 305) oder beim gemeinschaftlich erzielten Gewinn von Landwirten-Eheleuten (BFH v. 4.7.1985 – IV R 136/83, BStBl. II 1985, 576; AEAO zu § 180, Ziff. 4) gegeben, sofern die Einkünfte verhältnismäßig einfach zu ermitteln sind und auch die Aufteilung feststeht.
Beispiel 1
Die zusammenveranlagten Eheleute M und F vermieten fünf ihnen gemeinschaftlich gehörende und in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnungen. Die jährlichen Mieteinnahmen betragen 40.000 EUR.
In diesem Fall kann auf die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO verzichtet werden.
Beispiel 2
Die zusammenveranlagten Eheleute M und F erwerben in 2019 zu je ½ ein renovierungsbedürftiges Mehrfamilienhaus, das sie mit erheblichem Aufwand modernisieren, in fünf Eigentumswohnungen aufteilen und sodann vermieten. In Folge von Zahlungsschwierigkeiten verkaufen sie in 2022 und in 2023 jeweils 2 Eigentumswohnungen. Das FA hat bei den Einkommensteuerveranlagungen 2019 bis 2021 die Einkünfte laut Erklärung als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung behandelt und auf eine gesonderte und einheitliche Feststellung im Hinblick auf § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO verzichtet.
Diese Vorgehensweise ist zwar zunächst zutreffend. Jedoch liegt durch die Grundstücksverkäufe (mehr als drei Eigentumswohnungen innerhalb eines Zeitraumes von 5 Jahren) nach der Rspr. des BFH ein gewerblicher Grundstückshandel vor (BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434). Der gewerbliche Grundstückshandel beginnt mit dem Erwerb des Grundstücks, spätestens aber mit Beginn der Modernisierungsarbeiten und der Aufteilung des Grundstücks in Wohnungseigentum. Die Einkünfte sind rückwirkend ab 2019 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln. Ein Fall von geringer Bedeutung i.S.d. des § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO, bei dem von einer gesonderten Feststellung abgesehen werden kann, liegt aber nicht vor, wenn bei Grundstücksgeschäften von Eheleuten streitig ist, ob und inwieweit sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus Vermietung und Verpachtung oder Spekulationsgeschäften erzielt haben (BFH v. 1.2.1989 – I R 73/85, BStBl. II 1989, 522). Die Feststellungsbescheide sind als Grundlagenbescheide den Einkommensteuerveranlagungen zugrunde zu legen und, soweit bereits Veranlagungen vorliegen, nach Maßgabe von § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern.
Beraterhinweis Zur Klärung von Zweifeln, ob noch ein Feststellungsverfahren erfolgt, kann ein negativer Feststellungsbescheid gem. § 180 Abs. 3 S. 2 AO erlassen werden. Das ist z.B. dann sinnvoll, wenn Streitigkeiten darüber bestehen, ob ein Fall von geringer Bedeutung vorliegt (BFH v. 12.7.1988 – IX B 28/88, BFH/NV 1989, 87) oder wenn Zweifel aufkommen, ob die übrigen an den gemeinschaftlichen Einkünften beteiligten Personen mit diesen Einkünften im Inland steuerpflichtig sind oder ob sie derzeit überhaupt ermittelt werden können (BFH v. 18.7.1990 – I R 39/89, BFH/NV 1991, 498). Der negative Feststellungsbescheid gilt nach § 180 Abs. 2 S. 3 AO als Steuerbescheid. Die Ermittlungs- und ggf. Schätzungspflicht in vollem Umfang auf die beteiligten Wohnsitzfinanzämter über.