Leitsatz

1. Es muss dem Abzug von Versorgungsleistungen nicht entgegenstehen, wenn eine vertraglich vereinbarte Erhöhung des bar zu zahlenden Teils der Altenteilsleistungen, die zum 65. Lebensjahr des Berechtigten vorgenommen werden soll, unterbleibt, weil sie schlicht vergessen wurde. Bei Versorgungsverträgen, deren Abänderbarkeit bereits aus der Rechtsnatur des Vertrags folgt, ist vielmehr entscheidend, ob eine Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen darauf hindeutet, dass es den Parteien an dem erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt.

2. Für die – anhand einer Gesamtbeurteilung zu beantwortende – Frage, ob ein Versorgungsvertrag im Wesentlichen entsprechend der Vereinbarung durchgeführt worden ist, ist auch die tatsächliche Durchführung eines vereinbarten Wohnrechts mit dem entsprechenden Jahreswert heranzuziehen.

3. Bei Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen, für die § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der ab 2008 geltenden Fassung anzuwenden ist, reicht es jedenfalls aus, wenn das Pflegerisiko in einem Umfang übernommen wird, der bei Übergabeverträgen, die bis zum 31.12.2007 abgeschlossen worden sind, zur Einordnung der Leistungen als dauernde Last führt (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.06.2021 – X R 31/20, Rz. 32, seit dem 16.12.2021 veröffentlicht unter www.bundesfinanzhof.de).

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger war persönlich haftender Gesellschafter einer KG, die Einkünfte aus LuF erzielte. Einzige Kommanditistin war die Mutter (M) des Klägers. Die wesentlichen Betriebsgrundlagen befanden sich im zivilrechtlichen Eigentum der M und stellten ertragsteuerrechtlich ihr Sonderbetriebsvermögen in der KG dar. 2009 übertrug M in einem "Hofübergabe- und Altenteilsvertrag und Erbverzichtsvertrag" sowohl ihren Kommanditanteil und auch ihren land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz im Wege vorweggenommener Erbfolge auf den Kläger. Dieser verpflichtete sich, seinen Eltern neben der Gewährung eines lebenslangen Wohnrechts und sonstiger Sachleistungen zur Übernahme der Pflegeleistungen im Umfang der Pflegestufe 1 und zur Erbringung von Barleistungen zunächst i.H.v. monatlich 200 EUR. Die vertraglich ab dem 65. Geburtstag des Vaters vereinbarte Erhöhung der Barleistungen unterblieb zunächst allerdings versehentlich.

Das FA lehnte den Sonderausgabenabzug ab. Auch die Klage war nicht erfolgreich, da nach Auffassung des FG den Parteien des Übergabevertrags der Rechtsbindungswille gefehlt habe (Niedersächsisches FG, Urteil vom 27.6.2019, 11 K 291/18, Haufe-Index 13876583, EFG 2020, 996).

 

Entscheidung

Die Revision führte zur Zurückverweisung der Sache, weil das FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung weder die erforderliche Gesamtwürdigung im Hinblick auf den Rechtsbindungswillen noch Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug vorgenommen hatte.

 

Hinweis

1. Auch für die seit 2009 vereinbarten Vermögensübergaben gegen Versorgungsleistungen geht der BFH entsprechend seiner Rechtsprechung zur Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen davon aus, dass der Mindestbestand an bürgerlich-rechtlichen Rechtsfolgen, der die Qualifikation als Versorgungsvertrag erst ermöglicht (Umfang des übertragenen Vermögens, Höhe der Versorgungsleistungen sowie Art und Weise ihrer Zahlung), klar und eindeutig vereinbart werden muss. Soll der Vertrag der Besteuerung zugrunde gelegt werden, steht es den Vertragsparteien nicht frei, ob und in welchem Umfang sie ihren Vertragspflichten nachkommen wollen. Andererseits liegt es in der Rechtsnatur des Versorgungsvertrags begründet, dass die Vertragspartner z.B. auf geänderte Bedarfslagen angemessen reagieren.

2. Bei der insoweit erforderlichen Gesamtbetrachtung hat die Rechtsprechung entscheidend darauf abgestellt, ob eine festgestellte Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen darauf hindeutet, dass es den Parteien an dem erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt. Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Vollzug der Vereinbarung durch willkürliche Aussetzung und anschließende Wiederaufnahme der Zahlungen, darüber hinaus aber auch durch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags, die nicht durch Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt sind, gekennzeichnet ist.

Demgegenüber beruhen Änderungen, die durch nachweisbare Umstände veranlasst sind, die nach Maßgabe des Vertragstextes oder nach der Rechtsnatur des Vertrags rechtserheblich sind, insbesondere aus einer – in der Regel langfristig – veränderten Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und/oder einer veränderten Bedarfslage des Berechtigten resultieren, gerade auf den Besonderheiten dieses Rechtsinstituts und zeigen den Willen der Vertragsparteien an, sich an dieses Rechtsinstitut gebunden zu halten.

3. Ein "schlichtes Vergessen" einer vereinbarten Leistungserhöhung allein bedeutet nicht zwangsläufig eine willkürliche Handhabung der Vertragspflichten und führt damit nicht zur Verneinung eines Rechtsbindungswillens der Beteiligten. Für den aus objektiven Tatsachen vorzune...

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