Leitsatz
1. Bei der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ist die Höhe der als dauernde Last gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG abziehbaren Versorgungsleistungen durch die nach der Prognose im Zeitpunkt der Übergabe erzielbaren Nettoerträge begrenzt. Einigen sich die Vertragsbeteiligten auf ein in Anbetracht des gestiegenen Versorgungsbedürfnisses – hier: wegen Umzugs des Versorgungsberechtigten in ein Pflegeheim – neues Versorgungskonzept, sind Zahlungen, die ab diesem Zeitpunkt nicht mehr aus dem Ertrag des übergebenen Vermögens erbracht werden können, freiwillige Leistungen i.S.d. § 12 Nr. 2 EStG.
2. Die Abänderbarkeit einer dauernden Last ist in zivilrechtlicher Hinsicht bezogen auf die Versorgungsbedürftigkeit des Empfängers und die sich aus dem übertragenen Wirtschaftsgut ergebende Leistungsfähigkeit des Verpflichteten. Diese bestimmen den Korridor, innerhalb dessen die Beteiligten mit steuerlicher Wirkung auf eine Änderung des Bedarfs des Berechtigten und/oder der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten reagieren können.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 12 Nr. 2, § 33 und 33a Abs. 1 EStG, § 42 AO, § 323 ZPO
Sachverhalt
In ihren ESt-Erklärungen für die Streitjahre (1994 bis 1997) machten die Kläger (Eheleute) wiederkehrende Leistungen des Ehemanns an seine Schwiegermutter (S) i.H.v. 6.000 DM (1994), 7.200 DM (1995), 41.809 DM (1996) und 19.725 DM (1997) als Sonderausgaben i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG geltend.
Der Kläger räumte S 1973 (unentgeltlich) an einer ihm gehörenden Wohnung ein Nießbrauchsrecht ein. Durch Vertrag von 1978 wurde dieses Nießbrauchsrecht durch den Nießbrauch an einer anderen Wohnung des Klägers, die höhere Mieterträge abwarf, "ausgetauscht". Schließlich verpflichtete sich der Kläger durch Vertrag vom Juni 1984, an S auf Lebenszeit eine "Rente" i.H.v. 500 DM zu zahlen; § 323 ZPO wurde in Bezug genommen. Im Gegenzug verzichtete S auf ihr Nießbrauchsrecht. Seit Oktober 1995 wurde S in einem städtischen Altenpflegeheim betreut.
Das FA lehnte den Abzug der streitigen Leistungen des Klägers als dauernde Last ab. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos (FG Münster in EFG 2002, 27). Auf die Revision der Kläger hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Entscheidung
S habe dem Kläger in Gestalt des Verzichts auf den ihr zustehenden Nießbrauch Vermögen "übertragen", welches als begünstigte Wirtschaftseinheit i.S.d. in § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG geregelten Sonderrechtsinstituts in Betracht komme.
Der in diesem Sinn begünstigten Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen stehe nicht per se der Umstand entgegen, dass der Kläger das vermögenswerte Nutzungsrecht an der nämlichen Wohnung 5,5 Jahre zuvor der S im Weg des Zuwendungsnießbrauchs übertragen habe. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn sich Anhaltspunkte für eine gesamtplanmäßige Verbindung der hier zu beurteilenden Rechtsgeschäfte finden ließen, wofür allerdings nichts ersichtlich sei.
Jedenfalls in steuerlicher Hinsicht seien die Versorgungsleistungen der Höhe nach begrenzt auf die aus dem übertragenen Wirtschaftsgut erzielbaren Erträge. Ergebe daher die aus der Perspektive des Umzugs der S in das Altenpflegeheim neu zu treffende Prognose, dass die fortan vom Kläger an S geleisteten Zahlungen nicht mehr (in vollem Umfang) aus den erzielbaren Nettoerträgen der Wohnung hätten geleistet werden können, so seien die vom Kläger an S in den Streitjahren 1996 und 1997 erbrachten Leistungen nur insoweit als dauernde Last i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbar, als sie durch die (voraussichtlich) aus dem übertragenen Wirtschaftsgut erzielbaren Nettoerträge abgedeckt würden. Die übersteigenden Beträge stellten Zuwendungen i.S.v. § 12 EStG dar, die allenfalls im Rahmen der §§ 33 und 33a EStG abgezogen werden könnten, was jedoch im Streitfall mangels Vorliegens der entsprechenden Tatbestandsmerkmale nicht in Betracht komme.
Hinweis
1. Das Besprechungsurteil stellt zunächst im Anschluss an die frühere Rechtsprechung (vgl. z.B. schon BFH, Urteile vom 15.3.1994, X R 93/90, BFH/NV 1994, 848, unter 2.b, und vom 25.11.1992, X R 148/90, BFH/NV 1993, 586, unter II.1.a bb und cc) klar, dass als Objekt einer i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG begünstigten Vermögensübergabe auch der Nießbrauch an einer Immobilie in Betracht kommt. Dies gilt auch für den hier zu beurteilenden Fall, dass der Nießbraucher (Vermögensübergeber) gegenüber dem Grundstückseigentümer (Vermögensübernehmer) auf sein (dingliches) Nutzungsrecht verzichtet. Hierbei ist ohne Belang, dass der Nießbrauch im Fall des Verzichts nicht Gegenstand einer bürgerlich-rechtlichen "Übertragung" ist, sondern mit dem Verzicht erlischt.
2. Der BFH sah es als unschädlich an, dass der Nießbrauch der Vermögensübergeberin (Schwiegermutter) rd. 5,5 Jahre zuvor vom Kläger (Vermögensübernehmer) unentgeltlich zugewendet worden war. Grundsätzliche Bedenken gegen die steuerrechtliche Anerkennung des Nießbrauchsverzichts als (privilegierte) Vermögensübergabe i.S.v. § 10 Abs. 1...