Leitsatz
* Es ist ernstlich zweifelhaft, ob eine von der Europäischen Kommission verhängte Geldbuße wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens dem Verbot des Betriebsausgabenabzugs nach § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG unterliegt.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 4 Abs. 5 Nr. 8 Satz 4 EStG
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten in erster Linie darüber, ob ein von der EG-Kommission verhängtes Bußgeld wegen Kartellverstößen dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG unterliegt.
Im Jahr 1998 setzte die EG-Kommission gegen verschiedene Unternehmen, zu denen u.a. die Antragstellerin, eine GmbH, gehörte, wegen Beteiligung an einem unzulässigen Kartell Bußgelder fest. Der Anteil der Antragstellerin an diesem Bußgeld belief sich auf über 2 Mio. DM. Die Antragstellerin bildete in ihrer Bilanz auf den 31.12.1996 im Hinblick auf das ihr drohende Bußgeld eine Rückstellung in Höhe von 1 Mio. DM, der sie in der Bilanz auf den 31.12.1998 nochmals denselben Betrag zuführte. Die hierdurch verursachte Gewinnminderung hielt das FA für nicht berücksichtigungsfähig.
Die Antragstellerin legte gegen die genannten Änderungsbescheide Einsprüche ein, über die noch nicht entschieden worden ist. Einen Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung der Bescheide in Höhe der noch nicht gezahlten Steuerbeträge auszusetzen, lehnten sowohl das FA als auch das anschließend angerufene FG ab (EFG 2004, 212).
Entscheidung
Der BFH hielt es für ernstlich zweifelhaft, dass die Geldbuße nur aus "Ahndungsteilen" zusammengesetzt sei. Es spreche viel dafür, dass in ihr auch ein "Abschöpfungsteil" enthalten sei. Der letztere Teil werde vom BA-Abzugsausschluss des § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG aber nicht erfasst. Er müsse ggf. geschätzt werden und sei dann als solcher zu den streitgegenständlichen Bilanzstichtagen passivierungsfähig. Die beantragte AdV sei in jenem Umfang zu gewähren.
Hinweis
1. § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG verhindert den Abzug von Geldbußen als BA. Davon ausgenommen ist nach Satz 4 der Regelung nur derjenige Anteil der Buße, der abschöpfenden Charakter hat, vorausgesetzt, die auf den vom Steuerpflichtigen erlangten wirtschaftlichen Vorteil entfallenden Steuern vom Einkommen und vom Ertrag wurden von der Bußgeld festsetzenden Stelle nicht bereits mindernd berücksichtigt. Eine Doppelbelastung soll dadurch ebenso verhindert werden wie eine steuerliche Doppelbegünstigung. Nur der Sanktionsteil der Geldbuße bleibt hiernach gänzlich unberücksichtigt und darf nicht abgezogen werden. Der Steuerpflichtige soll die Sanktion "spüren" und nicht sozialisieren.
2. Im innerstaatlichen Recht kommt den Bußgeldern, die das BKartA verhängt, regelmäßig eine Doppelfunktion zwischen Sanktion und Abschöpfung zu. Das ergibt sich aus § 81 GWB i.V.m. § 17 Abs. 4 OWiG und aus den dazu ergangenen beiden BFH-Urteilen vom 9.6.1999, I R 64/97 (BStBl II 1999, 656) und I R 100/97 (BStBl II 1999, 658).
Wie es sich bei entsprechenden Bußgeldern der EG-Kommission verhält, ist indes umstritten. Einzelheiten ergeben sich aus den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen (ABl. EG vom 14.1.1998, Nr. C 9, S. 3). Sie mögen an dieser Stelle dahinstehen.
Der BFH geht jedenfalls im summarischen Verfahren davon aus, dass ein Abschöpfungsteil auch dort nicht fehlen dürfte: Obwohl die kartellrechtlichen Sanktionen der EG-Kommission nicht auf einen konkreten Mehrerlös bezogen und auf dessen Abschöpfung gerichtet seien, sondern vor allem der Ahndung des Verstoßes und der Abschreckung potenzieller Nachahmer dienten, schließe dies nicht aus, dass die Geldbußen zugleich eine Abschöpfung des Mehrerlöses und damit des wirtschaftlichen Vorteils i.S.d. § 4 Abs. 5 Nr. 8 Satz 4 EStG bewirkten. Mithin bestehe ein zumindest mittelbarer Zusammenhang zwischen Mehrerlös und Höhe der Geldbuße.
Sollte sich das im Hauptverfahren bestätigen, wäre die Abzugsfähigkeit der teilweise exorbitant hohen Bußen der Kommission damit gesichert.
3. Vor diesem Hintergrund kann der Steuerpflichtige in Höhe der ggf. zu berücksichtigenden Zahlungsverpflichtung aus einer Geldbuße der EG-Kommission eine Gewinn mindernde Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bilden, und zwar bereits zu einem Zeitpunkt, in dem die EG-Kommission Untersuchungen bei ihm aufgenommen hat und sein wettbewerbswidriges Verhalten entdeckt ist. Es ist dann an den maßgeblichen Bilanzstichtagen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer Inanspruchnahme durch die EG-Kommission zu rechnen.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 24.3.2004, I B 203/03 (NV)