Leitsatz
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob ein im Jahr 2021 in Abzug gebrachter Investitionsabzugsbetrag für eine im Jahr 2022 tatsächlich erworbene und nach § 3 Nr. 72 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerbefreite Photovoltaikanlage allein wegen des Inkrafttretens dieser Steuerbefreiung gemäß § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG im Jahr 2021 rückgängig zu machen ist.
Normenkette
§ 7g, § 3 Nr. 72 EStG, § 69 FGO
Sachverhalt
Der Antragsteller berücksichtigte bei der ESt 2021 einen IAB für die geplante Anschaffung einer PV-Anlage. Das FA erkannte diesen ohne Vorbehalt der Nachprüfung und ohne Vorläufigkeit bezüglich des gewerblichen Verlusts an. Im November 2022 schaffte der Antragsteller die PV-Anlage mit 11,2 kWp an. Das FA machte den IAB wegen der in § 3 Nr. 72 EStG eingeführten Steuerbefreiung nach § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG im Abzugsjahr 2021 rückgängig. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit dem Einspruch und begehrte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das FA und das FG (FG Köln, Beschluss vom 14.3.2024, 7 V 10/24, Haufe-Index 16277287) lehnten die AdV ab.
Entscheidung
Der BFH gewährte AdV für die Dauer des Einspruchsverfahrens. Ob eine Rückgängigmachung des IAB im Abzugsjahr 2021 zulässig sei, sei schon einfachrechtlich zweifelhaft. Weder sei das dritte auf das Abzugsjahr folgende Wirtschaftsjahr abgelaufen noch habe der Antragsteller den IAB freiwillig rückgängig gemacht. Zudem sei zweifelhaft, ob eine Hinzurechnung im Anschaffungsjahr 2022 daran scheitere, dass § 3 Nr. 72 EStG eine Gewinnermittlung ausschließe, wenn die aus der PV-Anlage erzielten Einnahmen insgesamt steuerfrei seien. Schließlich folge auch aus BFH, Urteil vom 3.12.2019, X R 11/19; BFH/NV 2020, 573, Haufe-Index 13768959, keine zwingende Auflösung im Abzugsjahr, da der Dreijahreszeitraum weder abgelaufen sei noch eine Hinzurechnung während dieses Zeitraums ausgeschlossen werden könne. Auf die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken komme es daher nicht an.
Hinweis
1. Nach § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt werden, bis zu 50 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten durch Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrags (IAB) gewinnmindernd abziehen. Als solche beweglichen Wirtschaftsgüter sind jedenfalls nachträglich auf ein Hausdach aufgebrachte Aufdach-Photovoltaikanlagen anzusehen, die nicht die Funktion des Gebäudedachs übernehmen (zur Qualifikation dachintegrierten Anlagen als bewegliches Wirtschaftsgut siehe aber R 4.2 Abs. 3 Satz 4 EStR).
2. Im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung eines begünstigten Wirtschaftsguts hat der Steuerpflichtige das Wahlrecht, entweder bis zu 50 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnerhöhend hinzuzurechnen (§ 7g Abs. 2 Satz 1 EStG) oder die Gewinnerhöhung durch eine Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts auf Kosten des künftigen Afa-Volumens zu vermeiden (§ 7g Abs. 2 Satz 3 EStG).
3. Soweit der Steuerpflichtige den IAB nicht spätestens bis Ende des dritten auf das Jahr der Bildung des IAB folgenden Wirtschaftsjahrs hinzugerechnet hat, erfolgt gemäß § 7g Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EStG eine gewinnerhöhende Rückgängigmachung des IAB im Abzugsjahr. Auch eine freiwillige vorzeitige Rückgängigmachung im Abzugsjahr lässt das Gesetz zu (§ 7g Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 EStG).
4. Durch das JStG 2022 wurde allerdings in § 3 Nr. 72 EStG eine Steuerbefreiungsvorschrift für Photovoltaikanlagen eingeführt, sofern deren installierte Bruttoleistung je nach Gebäudeart bestimmte Grenzen nicht überschreitet. Zudem wurde geregelt, dass im Fall der Erzielung gewerblicher Einkünfte, keine Gewinnermittlung durchzuführen ist, sofern die aus dieser Tätigkeit erzielten Einnahmen insgesamt nach § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG steuerfrei sind. Die Steuerbefreiungsvorschrift ist gemäß § 52 Abs. 4 Satz 28 EStG (ursprünglich Satz 27) rückwirkend bereits für Einnahmen und Entnahmen anwendbar, die nach dem 31.12.2021 erzielt oder getätigt werden. Die Finanzverwaltung folgerte aus dieser Steuerbefreiungsvorschrift, dass IAB, die in vor dem 1.1.2022 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen und bis einschließlich zum 31.12.2021 noch nicht gewinnwirksam hinzugerechnet wurden, nach § 7g Abs. 3 EStG rückgängig zu machen sind, wenn in nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigte Photovoltaikanlagen investiert wurde (BMF, Schreiben vom 17.7.2023, IV C 6 - S 2121/23/10001 :001, Rz. 19, BStBl I 2023, 1494).
5. Der BFH sah es in der Besprechungsentscheidung hingegen als zweifelhaft an, dass eine Hinzurechnung im Anschaffungsjahr ausscheidet und verwies auf das Fehlen einer eindeutigen Regelung und auf die unterschiedlichen Meinungen im Schrifttum. Im Hinblick darauf wäre zunächst im Anschaffungsjahr zu klären, ob eine Hinzurechnung möglich ist. Wenn darüber bes...