Leitsatz
1. Ein Anspruch auf Korrektur eines Folgebescheids nach Maßgabe des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO muss im gerichtlichen Verfahren im Weg der Verpflichtungsklage geltend gemacht werden.
2. Die Aufhebung eines Feststellungsbescheids (Grundlagenbescheid) führt nur dann dazu, dass der bisher in diesem Bescheid beurteilte Sachverhalt nunmehr unmittelbar im ESt-Bescheid (Folgebescheid) beurteilt werden kann, wenn sie als Erlass eines negativen Feststellungsbescheids zu werten ist. Andernfalls bleibt der betreffende Sachverhalt einer Überprüfung im ESt-Verfahren entzogen.
3. Wird ein als Grundlagenbescheid wirkender Feststellungsbescheid aufgehoben, ohne dass damit der Erlass eines negativen Feststellungsbescheids verbunden ist, so muss eine von dem Feststellungsbescheid ausgelöste Änderung des Folgebescheids rückgängig gemacht werden.
4. Ein Antrag auf Änderung eines Folgebescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO hemmt den Ablauf der Festsetzungsfrist nach Maßgabe des § 171 Abs. 3 AO.
Normenkette
§ 155 Abs. 2, § 171 Abs. 3 und 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 177 Abs. 2 und 3, § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1 Nr. 2, § 182 Abs. 1 Satz 1 AO
Sachverhalt
Die Beteiligten stritten darüber, ob das FA verpflichtet ist, ESt-Bescheide zugunsten der Kläger zu ändern.
Die Kläger waren Eheleute, die für die Streitjahre (1978 bis 1981) zusammen zur ESt veranlagt wurden. Der Kläger war an einer GmbH & Co. KG beteiligt. Er erklärte in den ESt-Erklärungen für 1978 und 1979, die jeweils im zweiten nachfolgenden Jahr abgegeben wurden, Verluste aus diesen Beteiligungen sowie negative Einkünfte i.S.d. § 2 AIG. Wann die Steuererklärungen für 1980 und 1981 abgegeben und in welcher Höhe dort Beteiligungsverluste erklärt wurden, war unbekannt. Für 1978 und 1979 erließ das FA Steuerbescheide, in denen es im Hinblick auf die Einkünfte aus der Beteiligung an der KG den Erklärungen folgte.
Das für die Besteuerung der KG zuständige FA B nahm an, dass die geltend gemachten Verluste mangels Gewinnerzielungsabsicht steuerlich nicht zu berücksichtigen seien. Es erließ deshalb am 6.11.1989 einen Bescheid, durch den es eine Feststellung von Einkünften der stillen Gesellschafter ablehnte.
Am 9.8.1991 erließ das FA B erneut einen Bescheid, in dem es die Einkünfte der an der KG Beteiligten für alle Streitjahre auf 0 DM feststellte. Diesen Bescheid hob es am 20.8.2003 ersatzlos auf. Hintergrund dessen war der Umstand, dass das FG in einem gleich gelagerten anderen Fall die dort ergangenen Feststellungsbescheide für die Streitjahre aufgehoben hatte, weil sie nach Ablauf der Feststellungsfristen ergangen seien; hinsichtlich des seinerzeit ebenfalls streitbefangenen Jahrs 1982 hatte das FG die Gewinnerzielungsabsicht verneint und die Klage abgewiesen. Diese in einem Musterprozess ergangene Entscheidung hielt das FA B für auf den Streitfall übertragbar.
Nachdem das FA über das Ergehen des vom FA B erlassenen Bescheids vom 6.11.1989 unterrichtet worden war, änderte es im Juli und August 1990 die ESt-Bescheide für 1978 und 1979. In den Änderungsbescheiden wurden die zuvor angesetzten Einkünfte aus der Beteiligung des Klägers an der KG nicht mehr berücksichtigt.
Im Anschluss an den Erlass des die KG betreffenden Feststellungsbescheids vom 9.8.1991 erließ das FA am 11.9.1991 erneut ESt-Bescheide für die genannten Jahre, in denen es die ESt jeweils unverändert festsetzte.
Nachdem das FA B den Feststellungsbescheid vom 9.8.1991 aufgehoben hatte, beantragten die Kläger am 15.9.2003 eine Änderung der ESt-Bescheide in der Weise, dass die ursprünglich berücksichtigten Verluste wieder angesetzt wurden. Diesen Antrag lehnte das FA ab.
Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg (EFG 2005, 1907).
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das FG zurück:
„Im Ergebnis hängt die Entscheidung des Rechtsstreits mithin zunächst davon ab, ob die Aufhebung des Feststellungsbescheids vom 9.8.1991 durch das FA B im Sinn eines negativen Feststellungsbescheids zu deuten ist. Wäre diese Frage zu verneinen, so wäre zudem entscheidungserheblich, ob die Änderung der ESt-Bescheide im Juli und August 1990 auf zuvor ergangenen Grundlagenbescheiden beruht und ob diese Grundlagenbescheide heute (wieder) Bestand haben. Zu beiden Punkten sind weitere Feststellungen notwendig, die im Revisionsverfahren nicht getroffen werden können. Deshalb wird das Verfahren an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
Sollte das FG aufgrund der erneuten Verhandlung zu dem Ergebnis gelangen, dass nach der derzeit geltenden Bescheidlage die Beteiligungseinkünfte nicht im Rahmen einer gesonderten Feststellung zu ermitteln sind, so wird es im Rahmen des vorliegenden Verfahrens darüber befinden müssen, ob der Kläger aus seiner Beteiligung an der KG der Besteuerung unterliegende Einkünfte erzielt hat. In diesem Fall wird insbesondere die zwischen den Beteiligten streitige Frage nach der Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers zu beantworten sein....