Leitsatz

Für die Änderung eines Steuerbescheids, der durch unlautere Mittel erwirkt worden ist, ist ein unlauteres Verhalten wie die wissentliche und bewusste Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung ausreichend. Die Nichterklärung von Mieteinkünften mit dem Hinweis auf eine Nießbrauchsbestellung zugunsten eines Dritten stellt eine wissentliche und bewusste Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung dar, wenn der Nießbrauch zeitlich befristet ist und der Steuerpflichtige Kenntnis vom Fristablauf hat.

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Eigentümer eines mit einem Mietwohnhaus bebauten Grundstücks. An diesem Objekt hatte der Kläger seinen beiden Söhnen ein befristetes Nießbrauchsrecht eingeräumt. Ein Sohn des Klägers erklärte auch nach Auslaufen des Nießbrauchsrechts die Einkünfte aus diesem Objekt als eigene Einkünfte in seiner Steuererklärung. Der Beklagte vertrat hingegen die Ansicht, dass die Einkünfte dem Kläger und nicht seinem Sohn zuzuordnen seien. Ein Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg und die Steuerfestsetzung wurde bestandskräftig. In den Folgejahren erklärte der Kläger dennoch keine Einkünfte aus dem Mietwohngrundstück. Vielmehr erklärte der Sohn des Klägers diese Einkünfte weiterhin in seiner Steuererklärung. Die Anlage Vermietung und Verpachtung aus der Steuererklärung des Sohnes wurde an den Veranlagungsbezirk des Klägers weitergereicht und die Einkünfte aus dem Objekt bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers berücksichtigt. Im Streitjahr wurde die Steuererklärung des Sohnes abweichend von der bisherigen Praxis erst nach abschließender Zeichnung der Veranlagung des Klägers und Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids an den Veranlagungsbezirk des Klägers weitergereicht, so dass bereits Bestandskraft eingetreten war. Der Beklagte änderte den Einkommensteuerbescheid des Klägers aufgrund unlauteren Verhaltens, um die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beim Kläger zu berücksichtigen. Der Einspruch blieb erfolglos.

 

Entscheidung

Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des erkennenden Senats war der Beklagte berechtigt, den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid des Streitjahres zu ändern. Ein Steuerbescheid sei bereits dann durch unlautere Mittel erwirkt worden, wenn der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit einer Steuererklärung unrichtige Angaben mache und ihm die Unrichtigkeit bewusst sei. Die Absicht, die Finanzbehörde zu einer Entscheidung zu veranlassen, sei nicht erforderlich, denn ein ziel- und zweckgerichtetes Verhalten sei nicht Voraussetzung der Änderungsvorschrift (§ 172 Abs. 1 Nr. 1c AO). Ebenso sei ein Mitverschulden des Beklagten unerheblich. Die Nichterklärung der Vermietungseinkünfte beim Kläger sei nicht nur als eine von der Verwaltungspraxis abweichende Rechtsauffassung zu qualifizieren. Der Kläger sei verpflichtet gewesen, die Einkünfte bei sich zu erklären. Infolge des vorausgegangenen Einspruchsverfahrens und der widerspruchslos hingenommenen zutreffenden steuerlichen Behandlung der Einkünfte in den Vorjahren sei dem Kläger die Unrichtigkeit in der Steuererklärung des Streitjahres durchaus bewusst gewesen.

 

Hinweis

Die Entscheidung des FG Münster folgt der Rechtsprechung des BFH. Das erkennende Gericht hält jedoch eine erneute höchstrichterliche Überprüfung dieser Rechtsprechung für geboten. Es hat Zweifel, ob - wie im Streitfall - bereits eine bewusste Falscherklärung die Tatbestandsvoraussetzung der Änderungsvorschrift erfüllt. Diese Zweifel sind nach Ansicht des Autors berechtigt. Das Erwirken eines Steuerbescheids durch unlautere Mittel setzt nicht nur eine bewusste Falscherklärung voraus. Hinzutreten muss vielmehr eine billigende Inkaufnahme, dass sich die Finanzbehörde aufgrund dieser falschen Angaben zu einer unrichtigen Steuerfestsetzung lassen wird. Die Revision wurde zugelassen.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil vom 16.06.2004, 1 K 6434/01 E

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