OFD Frankfurt, Verfügung v. 8.7.2015, S 7170 - A - 69 - St 16
Bezug: BFH-Urteile vom 4.12.2014, V R 16/12 und V R 33/12 zum Nachweis der medizinischen Indikation bei Schönheitsoperationen
1. Tätigkeit eines ästhetisch-plastischen Chirurgen und bei Schönheitsoperationen
Die Frage, ob die Tätigkeit eines ästhetisch-plastischen Chirurgen bei sog. Schönheitsoperationen als ärztliche Heilbehandlung anzusehen ist und damit zur Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG führt, war Gegenstand einer Erörterung zwischen dem Bund und den obersten Finanzbehörden der Länder:
1.1 Allgemeines
Eine generelle Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG für ästhetisch-plastische Leistungen eines Chirurgen (Schönheitsoperationen) kommt nicht in Betracht.
Es hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, ob diese Leistung der medizinischen Betreuung eines Menschen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dient und somit ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht (z.B. bei Eingriff wegen psychischer Belastung, nicht jedoch bei rein kosmetischen Eingriffen).
1.2 Vergleichbare Leistungen anderer Einrichtungen
Wenn Leistungen nach § 4 Nr. 14 UStG steuerpflichtig sind, ist eine Umsatzsteuerpflicht vergleichbarer Leistungen auch bei Krankenhäusern, Diagnosekliniken usw. anzunehmen, da nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n.F. (früher: § 4 Nr. 16 UStG) ebenfalls nur Heilbehandlungen begünstigt werden sollen.
1.3 Beispiele für steuerpflichtige Umsätze
Steuerpflichtig sind z.B. folgende Leistungen, sofern sie kosmetischer Natur sind und kein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht (vgl. Tz. 1.1):
Fettabsaugung, Faltenbehandlung, Brustvergrößerung, Brustverkleinerung, Lifting, Nasenkorrekturen, Hautverjüngung (Lasertherapie), Lippenaufspritzung, Botox-Behandlung (Verminderung von Falten durch Einspritzen eines stark verdünnten Nervengiftes Botulinum-Toxin), Permanent Make-up, Anti-Aging Behandlung, Bleaching (Bleichen der Zähne) und Dentalkosmetik.
1.4 Bestätigung der genannten Grundsätze durch die Rechtsprechung
Der BFH hat die vorgenannten Grundsätze in dem Revisionsverfahren V R 27/03 mit Urteil vom 15.7.2004, BStBl 2004 II S. 862 (Vorinstanz: FG Berlin, Urteil vom 12.11.2002, 7 K 7264/02, EFG 2003 S. 418) bestätigt. Die gegen dieses Urteil am 4.10.2004 eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4.7.2006, 1 BvR 2241/04 nicht zur Entscheidung angenommen.
Diese Rechtsprechung hat auch der EuGH mit Urteil vom 21.3.2013, C-91/12 bestätigt.
1.5 Nachweis der medizinischen Indikation durch den Unternehmer
Der Unternehmer trägt die objektive Beweislast dafür, dass das Hauptziel der Leistung der Schutz oder die Wiederherstellung der Gesundheit ist (vgl. BFH-Beschluss vom 18.2.2008, V B 35/06, BFH/NV 2008 S. 1001-1003). Das FG Köln hatte mit Urteil vom 28.2.2013, 15 K 4521/07 entschieden, dass ein Unternehmer trotz der ärztlichen Schweigepflicht zum Nachweis der medizinischen Indikation verpflichtet ist. Andernfalls sind die strittigen Leistungen als steuerpflichtig zu behandeln.
Indiz hierfür kann die regelmäßige Übernahme der Kosten durch Krankenversicherungen sein. Es führt jedoch nicht zwingend zur Steuerpflicht, wenn die Krankenversicherung nicht zur Kostenübernahme verpflichtet ist (vgl. BFH-Urteil vom 30.1.2008, XI R 53/06, BStBl 2008 II S. 647).
Mit Urteil vom 12.1.2012, 6 K 1917/07 hat das FG Rheinland-Pfalz entschieden, dass ästhetisch-plastische Operationen nur dann steuerbefreit sind, wenn die medizinische Indikation im jeweiligen Einzelfall – ggf. durch Einzelgutachten mit Einverständnis des Patienten – nachgewiesen wird. Das Revisionsverfahren hatte das Az. V R 16/12.
Ein weiteres Revisionsverfahren zur Frage des Nachweises der medizinischen Indikation war unter dem Az. V R 33/12 anhängig (Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 2.2.2012, 10 K 10148/07).
Beide Revisionsverfahren hat der BFH mit Urteilen vom 4.12.2014 entschieden. Die Folgen aus diesen Urteilen für die Nachweisführung der Steuerbefreiung bei ästhetisch-plastischen Operationen werden aktuell auf Bundesebene erörtert.
2. Ärztliche Leistungen im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen und der Empfängnisverhütung
Die umsatzsteuerliche Behandlung ärztlicher Leistungen im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen und der Empfängnisverhütung war Thema einer Besprechung der Umsatzsteuerreferatsleiter. Danach sind sowohl die Leistungen im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen als auch alle ärztlichen Leistungen zur Empfängnisverhütung unabhängig von der jeweiligen Verhütungsmethode unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei.
Einrichtungen i.S. des § 13 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen zählen zu den in § 4 Nr. 14 Buchstabe b Doppelbuchst. bb UStG genannten Zentren. Zwar erfolgt bei diesen Einrichtungen die für die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift notwendige Teilnahme an der vertragsärzlichen Verso...