Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
Das Gericht bestätigt die derzeit herrschende Auffassung, dass Behandlungen nur dann nach § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit sind, wenn eine medizinische Indikation vorliegt.
Sachverhalt
Die Kläger führten in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ästhetisch-kosmetische Operationen aus. Nach einer Betriebsprüfung wurden die Umsätze dem Regelsteuersatz unterworfen, soweit die Leistungen nicht medizinisch indiziert waren. Die Kläger beanspruchten dagegen die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG und legten ein Gutachten vor, nachdem nicht in "medizinisch indizierte" und "nicht medizinisch indizierte" Leistungen unterschieden werden könne. Darüber hinaus bestritt die Klägerin, dass es sich bei den Operationen um nicht medizinisch indizierte Behandlungen gehandelt hätte.
Entscheidung
Das Gericht hat der Klage insoweit stattgegeben, wie es sich durch Gutachten von der medizinischen Indikation der Behandlungen überzeugen konnte. Soweit sich keine medizinische Indikation nachweisen ließ, wurde die Klage abgewiesen.
Unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des BFH (z.B. BFH, Urteil v. 30.6.2005, V R 1/02, BStBl 2005 II S. 675; BFH, Urteil v. 13.7.2006, V R 7/05, BStBl 2007 II) hat das Gericht entschieden, dass es für die Umsatzsteuerfreiheit von Schönheitsoperationen nicht ausreicht, dass die Operationen nur von einem Arzt ausgeführt werden. Erforderlich ist vielmehr, dass auch derartige Operationen dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen. Auch der EuGH, Urteil v. 20.11.2003, C-307/01 - dÁmbrumenil, BFH/NV Beilage 2004 S. 115) habe entschieden, dass Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin nur Tätigkeiten umfassen, die zum Zwecke der Vorbeugung, Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen beim Menschen vorgenommen werden. Von einer medizinischen Indikation kann im Regelfall ausgegangen werden, wenn die Kosten der Operation von den Sozialversicherungsträgern getragen werden.
Das Gericht stellt fest, dass auch eine psychisch-medizinische Indikation zur Steuerbefreiung führen kann. Es muss im Einzelnen festgestellt werden, ob eine medizinische Indikation für eine Behandlung vorliegt oder nicht. Anhand von Feststellungen eines Gutachters wurde ermittelt, in welchen Fällen von einer medizinischen Indikation auszugehen ist.
Hinweis
Das Urteil entspricht der derzeit in Deutschland maßgeblichen Rechtsprechung, dass ohne eine medizinische Indikation eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG nicht möglich sein kann. Ohne dass eine heilkundliche Leistung ausgeführt wird, kann eine Tätigkeit eines Arztes nicht steuerbefreit sein. Dies betrifft nicht nur die ärztlichen Leistungen als solche, sondern auch die damit zusammenhängenden Nebenleistungen.
Allerdings ist zu beachten, dass sich der EuGH erneut mit der Frage auseinander setzen muss, ob ästhetische Operationen bzw. Behandlungen unter die Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL fallen (Anhängiges Verfahren beim EuGH, C-91/12); der EuGH wird voraussichtlich am 21.3.2013 seine Entscheidung verkünden - ob dann die Beurteilung der ästhetisch-kosmetischen Behandlungen neu erfolgen muss, ist abzuwarten.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 02.02.2012, 16 K 10148/07