Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzanfechtung gemäß § 133 I InsO. Kenntnis vom Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung des Gemeinschuldners. Kenntnis vom Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung des Gemeinschuldners im Rahmen einer Insolvenzanfechtung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach der Rechtsprechung des BGH ist zwar „eine Kenntnis des Gläubigers von drohender Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und von einer Gläubigerbenachteiligung im Sinne von § 133 I Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und diesem den Umständen nach bewusst ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt” (BGH 13.08.09 IX ZR 159/06; 24.05.07 IX ZR 97/06 m.w.N.).

2. Handelt es sich bei dem Anfechtungsgegner jedoch um eine im Geschäftsverkehr eher unerfahrene Privatperson und beim Schuldner um ein Unternehmen von gewisser Größe, ist in der Regel nicht davon auszugehen, dass sie Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners und von einer Gläubigerbenachteiligung hat.

 

Normenkette

InsO § 133 Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten für die Beklagte vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der X AG (im folgenden Schuldnerin), über deren Vermögen durch Beschluss des Amtsgerichts Göttingen am 14.06.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Rückzahlungsanspruch nach einer Insolvenzanfechtung geltend.

Die Beklagte hatte ihre atypische stille Beteiligung bei der Schuldnerin mit den Schreiben vom 15.09.2003 und 23.09.2003 fristlos hilfsweise fristgemäß gekündigt und verlangte die Stornierung ihrer beiden Beteiligungen und Rückzahlung der Einlagen. Anlass für die Kündigungen war, dass es der Schuldnerin seit 1998 nicht gelungen war, die Jahresabschlüsse fristgerecht oder mit angemessener Verzögerung zu erstellen.

Da die Schuldnerin die Aufforderung der Rückzahlung nicht befolgte, erhob die Beklagte Klage vor dem Amtsgericht Göttingen – 25 C 361/04 – auf Zahlung von 3.704,61 EUR.

Dort schlossen die Parteien am 9.11.2005 einen Vergleich, in dem sich die Schuldnerin verpflichtete, 2.500,-- EUR an die Beklagte zu zahlen.

Da die Schuldnerin ihrer Zahlungspflicht nicht nachkam, beauftragte die Beklagte den Gerichtsvollzieher am 20.02.2006 mit der Zwangsvollstreckung. Dieser übersandte mit Schreiben vom 26.06.2006 das Vollstreckungsprotokoll, wonach eine Mitarbeiterin der Schuldnerin erklärte, nicht bar zahlen zu können unter gleichzeitiger Verweigerung einer Immobiliarvollstreckung. Auf Antrag der Beklagten leitete der Gerichtsvollzieher das Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ein. Daraufhin zahlte die Schuldnerin die geforderte Hauptforderung nebst Vollstreckungskosten in Höhe von insgesamt 3.297,32 EUR an den Gerichtsvollzieher, wovon 3.249,22 EUR am 13.07.2006 an die Beklagte weitergeleitet wurden.

Diese Zahlung hat die Klägerin gem. § 133 Abs. 1 InsO angefochten und verlangt mit der Klage die Rückzahlung.

Beginnend mit dem 31.12.2002 bestanden Verbindlichkeiten seitens der Schuldnerin, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf über 3,2 Mio. EUR anstiegen.

In den Jahren 2005 und 2006 gab es zahlreiche Prozesse von Anlegern gegen die Schuldnerin auf Rückzahlung der Einlagen mit unterschiedlichem Ausgang. In einer Vielzahl dieser Fälle wurden gerichtliche Vergleiche mit Ratenzahlungen abgeschlossen, die von der Schuldnerin nicht eingehalten wurden.

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe, wie sich schon aus den unstreitigen Umständen ergebe, bei der Zahlung der Schuldnerin an den Gerichtsvollzieher Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und der daraus resultierenden Gläubigerbenachteiligung gehabt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.297,32 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.06.2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet die Kenntnis von der (drohende) Zahlungsunfähigkeit.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung gemäß §§ 143, 133, 129 InsO, weil die Zahlung der Schuldnerin nicht wirksam angefochten wurde.

Gemäß § 133 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, und der andere Teil zur Zeit der Vornahme der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

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