Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzverwalter ist entscheidungsbefugt über aus dem Insolvenzverfahren abgeleiteten insolvenzspezifischen Einwendungen gegen die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung. Entscheidungsbefugnis eines Insolvenzverwalters über aus dem Insolvenzverfahren abgeleiteten insolvenzspezifischen Einwendungen gegen die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung. Durchsetzen schon titulierter gesetzlicher akzessorischer Haftungsansprüche gegen einen persönlich haftenden Gesellschafter durch Zwangsvollstreckung in dessen Vermögen
Leitsatz (amtlich)
1. Während des Insolvenzverfahrens entscheidet das Insolvenzgericht über sämtliche aus dem Verfahren abgeleiteten insolvenzspezifischen Einwendungen gegen die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung, sofern nach den allgemeinen Regeln hierfür das Vollstreckungsgericht zuständig wäre.
2. Die Sperrwirkung des § 93 InsO verbietet den Gläubigern der insolventen Personengesellschaft, ihre bei Verfahrenseröffnung schon titulierten gesetzlichen akzessorischen Haftungsansprüche gegen einen persönlich haftenden Gesellschafter durch Zwangsvollstreckung in dessen Vermögen durchzusetzen.
3. Die Einwendung des persönlich haftenden Gesellschafters, eine solche Zwangsvollstreckung sei dem Gläubiger nach § 93 InsO verwehrt, ist im Wege der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) geltend zu machen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Gläubiger seine Forderung im Insolvenzverfahren der Gesellschaft angemeldet hat.
Normenkette
InsO §§ 93, 89 Abs. 1, 3; ZPO §§ 766-767; HGB § 128
Verfahrensgang
Tenor
Die Anträge des Vollstreckungsschuldners auf Einstellung der gegen ihn gerichteten Zwangsvollstreckung aus dem (Vollstreckungstitel) werden zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
I.
Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin, einer Gesellschaft des bürger-lichen Rechts, ist seit dem 14. 7. 2011 beim Amtsgericht Duisburg das vorliegende Insolvenzverfahren eröffnet. Gegen den Vollstreckungsschuldner, einen ihrer beiden Gesellschafter, betreiben zumindest sechs Gläubiger die Zwangsvollstreckung in dessen persönliches Vermögen. Zugrunde liegen ein Urteil, ein Kostenfestsetzungsbeschluss und vier Vollstreckungsbescheide aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung, in denen Geldforderungen tituliert sind, die sich teils gegen den Vollstreckungsschuldner allein, teils gegen ihn als Gesamtschuldner zusammen mit der Insolvenzschuldnerin und dem Mitgesellschafter sowie teils als Gesamtschuldner nur zusammen mit dem Mitgesellschafter richten; Einzelheiten über den jeweiligen Forderungsgrund sind nicht ersichtlich. Der Gerichtsvollzieher hat den Vollstreckungsschuldner im Juli und August 2011 zumindest zweimal zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen. In einer der sechs Vollstreckungssachen hat das Amtsgericht Dinslaken am 28.07.2011 einen Haftbefehl erlassen.
Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten an das Amtsgericht Dinslaken und an den Gerichtsvollzieher vom 29.8.2011 hat der Vollstreckungsschuldner der Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung widersprochen und allgemein gegen die anhängigen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Erinnerung eingelegt. Er beantragt die Einstellung der Zwangsvollstreckung und beruft sich, ohne Einzelheiten zu nennen, darauf, dass die titulierten Forderungen „insgesamt aus Verbind-lichkeiten der Insolvenzschuldnerin” resultierten. Nach § 93 InsO sei mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Sperrwirkung eingetreten, so dass die Gläubiger einzelne Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nicht mehr durchführen dürften.
Das Amtsgericht Dinslaken hat die Vollstreckungsakten unter Bezugnahme auf § 89 Abs. 3 InsO dem Amtsgericht Duisburg als Insolvenzgericht übersandt.
Entscheidungsgründe
II.
Die als Vollstreckungserinnerung gegen das Vorgehen des Gerichtsvollziehers (§ 766 ZPO) zu behandelnde Eingabe des Vollstreckungsschuldners ist unzulässig.
1. Allerdings ergibt sich die Unzulässigkeit nicht schon daraus, dass ein unmittelbarer Anwendungsfall des § 89 Abs. 1, 3 InsO nicht vorliegt, weil das hier von der Zwangsvollstreckung betroffene Vermögen des GbR-Gesellschafters weder zur Insolvenzmasse noch zum sonstigen Vermögen der insolventen Gesellschaft gehört. Im Grundsatz ist nämlich anerkannt, dass die Zuständigkeitsregelung des § 89 Abs. 3 InsO nicht abschließend ist, sondern in ihr der Rechtsgedanke zum Ausdruck kommt, dass während des Insolvenz-verfahrens über sämtliche insolvenzspezifischen Einwendungen gegen eine Zwangsvollstreckung das Insolvenzgericht entscheiden soll (HK-InsO/Kayser, InsO, 5. Aufl. 2008, § 89 Rn. 37; MünchKomm-InsO/Breuer, 2. Aufl. 2007, § 89 Rn. 38; vgl. auch Uhlenbruck/Uhlenb...