Leitsatz

Haben zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute Klage erhoben und ist das einen Ehegatten betreffende Verfahren wegen Konkurseröffnung unterbrochen, ist der Konkursverwalter bereits vor Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens gemäß § 78 FGO berechtigt, Akteneinsicht in den gesamten Prozessstoff zu nehmen, der i.S. von § 96 i.V.m. § 78 FGO die Grundlage für die Entscheidung des FG bildet. Die Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses ( § 30 AO 1977) steht nicht entgegen.

 

Normenkette

AO 1977 § 30, , AO 1977 § 44 , FGO § 78, , FGO § 96, , FGO § 128 Abs. 2, , FGO § 155 , ZPO § 240

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 15.06.2000, IX B 13/00

Anmerkung

Die Klägerin, die mit ihrem Ehemann zur ESt zusammenveranlagt wurde, führt – gemeinsam mit ihrem Ehemann – vor dem FG einen Rechtsstreit wegen ESt 1983 bis 1985. Während des Klageverfahrens ist über das Vermögen des Ehemanns der Klägerin das Konkursverfahren eröffnet worden. Das FA hat daraufhin die im FG-Verfahren streitige Steuerforderung zur Konkurstabelle angemeldet. Die Konkursverwalterin hat die Steuerforderung im Prüfungstermin bestritten. Im FG-Verfahren hat sie die Gewährung von Akteneinsicht beantragt. Diesem Antrag hat das FA im Hinblick auf das Steuergeheimnis nicht zugestimmt.

Dagegen hat der BFH der Konkursverwalterin das Recht auf Akteneinsicht ( § 78 FGO ) zuerkannt. Nach seiner Auffassung ergibt sich ihr Recht, in dem den Ehemann der Klägerin betreffenden Klageverfahren die Akten einzusehen, aus ihrer – mit der Konkurseröffnung auf sie übergegangenen – Prozessführungsbefugnis . Die Konkursverwalterin kann über die steuerlichen Verhältnisse des Ehemanns der Klägerin als Gemeinschuldner Auskunft verlangen, da sie dessen Rechtsnachfolgerin ist. Das Akteneinsichtsrecht der Konkursverwalterin ist auch nicht – wie das FA meint – durch die Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses der Klägerin ( § 30 AO ) eingeschränkt. Der Ehemann der Klägerin – an dessen Stelle die Konkursverwalterin im Rahmen der ihr zustehenden Prozeßführungsbefugnis getreten ist – und die Klägerin sind zur ESt zusammenveranlagt worden. Hinsichtlich der streitigen Steuerforderung sind sie damit Gesamtschuldner i.S. von § 44 AO . Unter Gesamtschuldnern hat die Wahrung des Steuergeheimnisses nach Auffassung des BFH keine Bedeutung.

Wie der BFH weiter ausführt, ist die Konkursverwalterin berechtigt, den gesamten Prozessstoff einzusehen, der i.S. von § 96 FGO die Grundlage für die Entscheidung des FG bildet. Hierzu gehören auch die in den streitbefangenen Steuerbescheiden enthaltenen Besteuerungsgrundlagen der Klägerin. Sollten allerdings die vom FA dem FG vorgelegten Steuerakten Besteuerungsgrundlagen oder Unterlagen der Klägerin enthalten, die nicht mit den streitbefangenen Steuerbescheiden im Zusammenhang stehen, sind diese vor der Akteneinsicht zu entfernen.

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