Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung: Nach § 12 S. 2 Nr. 1 AO bildet die Stätte der Geschäftsleitung ebenfalls eine Betriebstätte. Die Geschäftsleitung ist dabei gem. § 10 AO der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung.
Im internationalen Steuerkontext ergeben sich hieraus Chancen, aber vor allem auch Risiken, da ausländische Gesellschaften mit einem inländischen Geschäftsführer neben einer unbeschränkten Steuerpflicht (sofern es sich um Kapitalgesellschaften handelt) auch Betriebstätten für gewerbesteuerliche Zwecke begründen können.
Beraterhinweis Zusätzlich stellt sich in diesem Zusammenhang dann noch die Frage nach der Aufteilung von Geschäften, Wirtschaftsgütern, Vermögenswerten usw.
aa) Ort der tatsächlich maßgebenden Willensbildung
Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung – und somit auch der Ort der Geschäftsleitung – ist dort, wo tatsächlich der maßgebende Wille des Unternehmens gebildet wird. Ein solcher Mittelpunkt kann sich nur an einem einzigen Ort befinden – mehrere Mittelpunkte waren nach ursprünglicher BFH-Rechtsprechung nicht möglich.
Beachten Sie: Findet die geschäftsleitende Tätigkeit an mehreren Orten statt, z.B. durch mehrere Geschäftsführer, die sich nicht an einem festen Ort zusammenfinden, hat grundsätzlich eine Gewichtung zu erfolgen, um den tatsächlichen Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung feststellen zu können.
bb) Mehrere Orte der Geschäftsleitung?
Dieser Grundsatz zeigt bereits, dass die Praxis im Hinblick auf diese Frage zu Problemen und Uneinigkeiten zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigem führen kann. Gerade heutzutage sind Konstellationen denkbar, in denen es
- nicht nur einen Mittelpunkt,
- sondern gleich mehrere Orte
der Geschäftsleitung gibt.
Bisher nur Zulassung in Ausnahmefällen: Diese Schlussfolgerung wurde bisher nur in Ausnahmefällen zugelassen. So hatte der BFH in einer Rechtssache entschieden, dass mehrere Geschäftsleitungs-Betriebstätten vorliegen können, wenn mehrere Personen gleichwertige Geschäftsführungsaufgaben von verschiedenen Orten aus wahrnehmen – und eine Gewichtung deshalb nicht möglich ist.
Moderne Kommunikationsmittel machen mehrere Orte der Entscheidungsfindung möglich: Der Fall, dass sich kein eindeutiger physischer Ort der Entscheidungsfindung feststellen lässt, wird künftig immer häufiger vorkommen, da inzwischen für die Entscheidungsfindung regelmäßig von modernen Kommunikationsmitteln Gebrauch gemacht wird. Auch hier zeigt sich, dass das Gesetz nicht an die heutigen Kommunikationsformen und Tätigkeiten des Geschäftsalltags angepasst ist.
Beraterhinweis Speziell für die GewSt ergeben sich insoweit Auswirkungen
- im internationalen Kontext bei der Frage, ob überhaupt ein inländischer Gewerbebetrieb gegeben ist, aber auch
- im nationalen Kontext, wenn es um Fragen der GewSt-Zerlegung und der anwendbaren Hebesätze geht.