Vom FG entschiedene und zum Teil beim BFH anhängige Verfahren
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. Thomas Brinkmeier, StB
Nachfolgend geben wir Ihnen einen Überblick über ausgewählte praxisrelevante Entscheidungen aus der FG-Rechtsprechung (seit dem letzten Überblick in GmbH-StB 2022, 115), die für die GmbH, den GF und deren steuerlichen Berater praxisrelevant sind.
1. Einkommensermittlung
a) VGA: Angemessenheit von Pensionszusagen bei Versorgungs- u. Rentenanwartschaft
In der Vorwegnahme künftiger Entwicklungen ist typisierend dann eine Überversorgung zu sehen, die zur Kürzung der Pensionsrückstellung führt, wenn die Versorgungsanwartschaft mit der Rentenanwartschaft aus der gesetzlichen Rentenversicherung 75 % der am Bilanzstichtag bezogenen Aktivbezüge übersteigt. Im Hinblick auf die Schwierigkeit, die letzten Aktivbezüge und die zu erwartenden Sozialversicherungsrenten zu schätzen, ist zur Prüfung einer möglichen Überversorgung auf die vom Arbeitgeber während der aktiven Tätigkeit des Begünstigten tatsächlich erbrachten Leistungen abzustellen.
Der Ansatz eines fiktiven Rentenanspruchs ist abzulehnen, da bei diesem Ansatz zukünftige ungewisse Entwicklungen vorweggenommen werden müssen.
FG Nürnberg v. 20.4.2021 – 1 K 186/19, Rev. eingelegt, Az. des BFH: I R 42/21
b) VGA zugunsten einer im Ausland ansässigen Konzernmutter
Eine vGA kann auch ohne Zufluss beim Gesellschafter gegeben sein, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Das "Nahestehen" in diesem Sinne kann familien-, gesellschafts-, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein.
Es ist nicht branchenüblich, dass Umsätze aus Parallelimporten einer im Ausland ansässigen Konzernmutter stets gesondert in die Provision/Marge der nationalen Vertriebsgesellschaft einfließen müssen.
FG Nürnberg v. 20.7.2021 – 1 K 1388/19, Rev. eingelegt, Az. des BFH: I R 41/21
c) VGA: Gehaltszuführungen des beherrschenden Gesellschafter-GF auf sog. Zeitwertkonto
Zuführungen der GmbH auf ein Investmentkonto, das als Zeitwertkonto des Gesellschafter-Geschäftsführers (GF) geführt wird und das zur Ansammlung von Wertguthaben dient, um durch laufenden Gehaltsverzicht zukünftig nach Zeit bemessene Freizeit – in Form einer späteren zeitlichen Freistellung – zu erkaufen, sind dann nicht als vGA zu qualifizieren, wenn die Verwendung des Wertguthabens für den Gesellschafter-GF
- auf eine Vorruhestandsphase beschränkt ist und
- er bei Eintritt in den Vorruhestand als Organ der Gesellschaft ausscheidet.
In diesen Fällen liegt – wirtschaftlich betrachtet – eine bloße Entgeltumwandlung vor, bei der der Gesellschafter-GF durch Rücklage bereits erdienter Aktivbezüge zugunsten künftiger Altersbezüge über sein eigenes Vermögen verfügt.
Hess. FG v. 29.9.2021 – 4 K 1476/20, NZB eingelegt, Az. des BFH: I B 87/21
d) Gestaltungsmissbräuchliche Tilgung von Gesellschafterdarlehen aus Einlagen
Umgehung der Gewinnerhöhung durch Forderungsverzicht: Die lediglich buchhalterisch vollzogene Einlage in die Kapitalrücklage einer GmbH zu dem Zweck der anschließenden Tilgung eines Darlehens der Alleingesellschafterin stellt einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar und ist daher wie ein – im Umfang des werthaltigen Anteils gewinnerhöhender – Forderungsverzicht zu behandeln.
Abgrenzung zu gesellschaftsrechtlich anerkannten "Hin- und Herzahlungen": Die gesellschaftsrechtliche Anerkennung der Rückzahlung von Einlagen und Gesellschafternachschüssen in den in § 19 Abs. 5 und § 30 Abs. 2 GmbHG geregelten Fällen rechtfertigt nicht die steuerrechtliche Anerkennung jedweder Sachverhalte, in denen Geldmittel zwischen Gesellschaft und Gesellschafter "hin- und hergezahlt" werden.
FG Düsseldorf v. 22.12.2021 – 7 K 101/18 F, Rev. eingelegt, Az. des BFH: I R 11/22
e) Schätzung anhand der Richtsatzsammlung des BMF
Die Schätzung anhand der Richtsatzsammlung als externer Betriebsvergleich ist eine anerkannte Schätzungsmethode in Fällen, in denen ein interner Betriebsvergleich – etwa durch Nachkalkulation – mangels verlässlichen Zahlenmaterials nicht möglich ist.
Die in der Literatur aufgeworfene Kritik an der Richtsatzsammlung greift vor dem Hintergrund nicht durch, dass die Richtsatzsammlung keinen normativen Charakter hat, sondern lediglich ein Hilfsmittel ist, das von den FG im Rahmen ihrer richterlichen Würdigung nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls angewandt wird. Gerade durch die große Spannbreite der Rohgewinnaufschlagsätze für Gastronomiebetriebe (im Streitjahr 2014 zwischen 186 % und 400 %) kommt der Berücksichtigung des Einzelfalls besondere Bedeutung zu, die die Kritik an der statistischen Erhebung der den Richtwerten zugrunde liegenden Daten zurücktreten lässt.
FG Hamburg v. 13.10.2020 – 2 K 218/18, Rev. eingelegt, Az. des BFH: X R 19/21
f) Verfassungsmäßigkeit des Abzinsungssatzes für unverzinsliche Verbindlichkeiten
Streitjahr 2013: Der Zinssatz von 5,5 % für die Abzinsung von Verbindlichkeiten bzw. von Rückstellungen für Verpflichtungen gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) EStG ist verfassungsgemäß.
Die Wertungen der BVerfG-Entscheidung (BVerfG v. 8.7.2021 – 1 BvR 2237/14, GmbHR 2021, 995 = GmbH-StB 2021, 272 [Brinkmeier]) zur Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes gem. § 238 Abs. 1 S. 1 AO, soweit er Verzinsungsz...