Vom FG entschiedene und zum Teil beim BFH anhängige Verfahren
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. Thomas Brinkmeier, StB
Nachfolgend geben wir Ihnen einen Überblick über ausgewählte praxisrelevante Entscheidungen aus der FG-Rechtsprechung (seit dem letzten Überblick in GmbH-StB 2022, 322), die für die GmbH, den GF und deren steuerlichen Berater praxisrelevant sind.
1. Einkommensermittlung
a) Fremdüblichkeit der Veräußerung von Aktien durch den alleinigen Gesellschafter-GF an seine Gesellschaft
Verträge zwischen nahestehenden Personen sind grundsätzlich in einer Gesamtschau mit Verträgen zwischen fremden Dritten zu vergleichen und nur dann steuerlich anzuerkennen, wenn sie
- ernsthaft gewollt,
- vor Beginn des Leistungsaustausches klar und eindeutig mit bürgerlich-rechtlicher Wirksamkeit vereinbart und
- tatsächlich durchgeführt werden sowie
- inhaltlich dem unter Fremden Üblichen entsprechen.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn zwei Verträge abgeschlossen wurden, die inhaltlich widersprüchlich sind und nur einer der beiden Verträge tatsächlich umgesetzt worden sein kann.
Veräußert der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer Aktien an seine Gesellschaft und vereinbart einen Kaufpreis, den er selbst zwei Jahre zuvor bezahlt hat, ist der Veräußerungs-Kaufvertrag nicht fremdüblich, wenn der Wert der Aktien nicht ermittelt wurde, obwohl Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich der Wert der Aktien seit dem Kauf durch den Gesellschafter deutlich verringert haben könnte.
FG Hamburg v. 21.6.2022 – 6 K 39/20, NZB eingelegt, Az. des BFH: IV B 49/22
b) Verzicht des Alleingesellschafter-GF einer GmbH auf ihm zustehende Sondervergütungen
Streitig ist die Haftung der klagenden GmbH für nicht abgeführte Lohnsteuer (LSt) im Zusammenhang mit vertraglich vereinbarten, aber nicht ausgezahlten Sondervergütungen.
Die Mitteilung einer GmbH über die Höhe des Arbeitslohns ihres Alleingesellschafter-GF an ihren Steuerberater zum Zwecke der Fertigung der LSt-Anmeldung ist eine Tatsachenmitteilung, in der kein konkludenter Verzicht des GF auf ihm im jeweiligen Anmeldungszeitraum nach seinem Anstellungsvertrag zustehendes Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld gesehen werden kann.
Auch in dem Umstand, dass die GmbH die Sondervergütungen nicht als Aufwand verbucht hat, kann kein rechtserheblicher Verzicht des Alleingesellschafter-GF gesehen werden (entgegen Thür. FG v.18.2.2009 – III 1027/05, GmbH-StB 2011, 29).
FG Mecklenburg-Vorpommern v. 20.7.2022 – 3 K 149/20, rkr.
c) Fälligkeitszinsen i.H.v. 4 % bei konkludenter Einforderung des erhöhten GmbH-Stammkapitals
Einforderung der Einlage: Gibt der GF einer GmbH, der zugleich der GF der Alleingesellschafterin ist, bei der Anmeldung der von der Alleingesellschafterin übernommenen Stammkapitalerhöhung wahrheitswidrig an, dass das erhöhte Stammkapital vollständig auf ein Konto der GmbH gezahlt worden sei, kann dies im Fall der Aktivierung der tatsächlich nicht gezahlten Beträge als Forderung der GmbH – unter Berücksichtigung von Treu und Glauben – darauf schließen lassen, dass die Gesellschafterversammlung nicht nur die Mindesteinlage von 25 %, sondern die Einforderung der gesamten Einlage beschlossen hatte. Beachten Sie: Dies gilt auch dann, wenn keine (deklaratorische) Niederschrift i.S.d. § 48 Abs. 3 GmbHG über die Einforderung der Einlage erfolgt ist.
4 % Fälligkeitszinsen ...: § 20 GmbH verweist auf § 246 BGB. Eingefordertes, aber nicht einbezahltes Stammkapital ist daher mit 4 % zu verzinsen (Fälligkeitszinsen).
... sind gewinnerhöhend zu aktivieren: Solange die eingeforderte Bareinlage nicht eingezahlt ist, kann auf die Fälligkeitszinsen nicht verzichtet werden. Die Fälligkeitszinsen sind daher gewinnerhöhend zu aktivieren.
Hess. FG v. 6.7.2022 – 4 K 310/20, rkr.
d) Vororganschaftliche Mehrabführung bei unterlassener TW-Abschreibung
Eine Teilwertabschreibung, die im Jahr vor der Organschaft unterlassen wurde, kann eine vororganschaftliche Mehrabführung zur Folge haben.
Für die Beurteilung, ob eine vororganschaftliche Mehrabführung vorliegt, darf eine fiktive Handelsbilanz mit der Steuerbilanz verglichen werden.
FG Hamburg v. 30.6.2022 – 6 K 40/21, Rev. eingelegt, Az. des BFH: I R 27/22
e) Treuhandverhältnis und vGA
Die bloße Bezeichnung eines Vertrages als Treuhandvertrag (hier: Vertrag über den Kauf von Aktien) genügt nicht für die steuerliche Anerkennung des Treuhandverhältnisses. Es kommt vielmehr darauf an, dass das rechtliche Eigentum der Treuhänderin nur eine "leere Hülse" darstellt.
VGA: Zinszahlungen einer GmbH auf ein Darlehen, das steuerlich kein Betriebsvermögen der Rechtsvorgängerin der GmbH – einer Personengesellschaft – geworden war, stellen bei der GmbH verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) dar.
FG Hamburg v. 21.6.2022 – 6 K 59/21, NZB eingelegt, Az. des BFH: I B 44/22
f) Formeller Bilanzenzusammenhang: Auflösung einer wirksam gebildeten § 6b-Rücklage im Wege der Bilanzberichtigung
Eine zwar rechtswidrig – aber gleichwohl wirksam – gebildete § 6b EStG-Rücklage, deren bilanzieller Ausweis Grundlage einer rechtskräftigen Veranlagung geworden ist, kann nicht nach den Regeln des formellen Bilanzenzusammenhangs in der Schlussbilanz des ersten offenen Wirtschaftsjahres, für das die Veranlagung berichtigt oder geändert werden kann, erfolgswirksam aufgelöst werden, da sich der Bilanzierungsfehler nicht in einer Bilanzposition, sondern lediglich im Kapitalkonto auswirkt (vgl. BFH v. 8.2.2017 – X B 138/16, BFH/NV 2017, 579 = EStB 2017, 1...