In einem finanzgerichtlichen Verfahren, in dem die Kläger Schätzungsbescheide des FA zu verschiedenen Steuerarten angefochten hatten, bejahte das FG wegen verschiedener Mängel und Verstöße dem Grunde nach auch eine Befugnis zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO. Hinsichtlich der Höhe hatte das FA seine Zuschätzungen auf Grundlage eines äußeren Betriebsvergleichs einschließlich eines Sicherheitsabschlags von 30 % ermittelt. Abweichend von dieser Schätzungsmethode nahm das FG in seinem Urteil "pauschale Sicherheitszuschläge" vor. Hierbei orientierte es sich an vom Kläger erklärten ausgewählten Tagesumsätze und -erlöse, die es auf Jahresumsätze hochrechnete. Die auf diese Weise vom FG ermittelten Schätzungsergebnisse übertrafen die Hinzuschätzungen des FA bei Weitem mit der Folge, dass die angefochtenen Bescheide aufgrund des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbots der Höhe nach unverändert blieben. Im Rahmen ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rügten die Kläger u.a. eine Verletzung der Gewährung rechtlichen Gehörs, weil das FG zu keinem Zeitpunkt auf seine im Urteil zugrunde gelegte Schätzungsmethode hingewiesen hatte. Der BFH sah in der Vorgehensweise des FG einen Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) und verwies die Sache unter Aufhebung des Urteils an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück.
Zur Begründung führte der BFH aus, dass das FG seine Hinweispflicht aus § 76 Abs. 2 FGO nicht beachtet und verfahrensfehlerhaft eine Überraschungsentscheidung getroffen hat, indem es die vom FA für sachgerecht gehaltene Schätzung anhand eines äußeren Betriebsvergleichs (Richtsatzschätzung) durch eine anderweitige Schätzungsmethode ersetzt hat. Hierdurch wurde der Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO verletzt. Eine Überraschungsentscheidung in diesem Sinn liegt vor, wenn das Gericht dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht rechnen muss. Dagegen muss ein Beteiligter auf rechtliche Umstände, die er selbst hätte sehen können und müssen, nicht hingewiesen werden (BFH v. 10.3.2016 – X B 198/15, BFH/NV 2016, 1042). Zwar ist ein FG nach der höchstrichterlicher Rspr. grundsätzlich nicht gehalten, die Beteiligten darauf hinzuweisen, dass es – wie im Streitfall – von seiner eigenen gesetzlichen Schätzungsbefugnis nach § 96 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 FGO i.V.m. § 162 AO Gebrauch machen will. Wie auch durch die überraschende Einführung neuer rechtlicher Gesichtspunkte kann das FG jedoch den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzen, wenn es bisher nicht erörterte Schätzungsmethoden anwenden will, die in ihrer Qualität mit einem nicht erkennbaren neuen rechtlichen Gesichtspunkt vergleichbar sind. Dies bedeutet noch nicht, dass das FG jede Änderung oder Abwandlung der Schätzungsmethode vorweg offenlegen müsste, wenn und soweit die betreffenden Schätzungsmethoden einander ähnlich oder voneinander abgeleitet sind (BFH v. 2.2.1982 – VIII R 65/80 – BStBl. II 1982, 409). Nach diesem Maßstab ist jedoch ein Hinweis des FG nach § 76 Abs. 2 FGO geboten, wenn es eine Schätzungsmethode anwenden will, die den bereits erörterten Schätzungsmethoden nicht mehr ähnlich ist oder die Einführung neuen Tatsachenstoffs erforderlich wird (BFH v. 19.1.2018 – X B 60/17, BFH/NV 2018, 530; v. 10.9.2013 – XI B 114/12, AO-StB 2013, 336 = BFH/NV 2013). Diesen Grundsätzen genügte die Vorgehensweise des FG im Streitfall nicht. Es hat die vom FA zugrunde gelegte Schätzungsmethode verworfen, da sich keine Begründung dafür habe finden lassen, weshalb von dem per Richtsatzschätzung ermittelten Mehrumsatz ein Sicherheitsabschlag von gerade 30 % in Abzug zu bringen gewesen sei. Das FG hat aber die Beteiligten weder vorab schriftlich noch in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es beabsichtigt, anstelle einer Richtsatzschätzung auf eine andere als "pauschaler Sicherheitszuschlag" bezeichnete Schätzungsmethode zurückzugreifen. Dies wäre allerdings geboten gewesen, da nicht nur die Höhe der vom FG für sachgerecht erachteten Hinzuschätzungen, sondern insb. auch die Methode, die anders als eine Richtsatzschätzung ausschließlich einzelne vom Kläger selbst erklärte Erlöse als Schätzungsparameter zugrunde legt, erheblich von der Schätzung des FA abweicht. Diese für den Kläger überraschenden Vorgehensweise des FG stellt der BFH von seiner Qualität einem nicht erkennbaren neuen rechtlichen Gesichtspunkt gleich.
Interessant sind auch die (rechtlich unverbindlichen) Hinweise, die der BFH für das weitere Verfahren gab. Die wegen formeller Mängel der Buchführung des Klägers vom FA und FG angenommene Befugnis zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen dem Grunde nach hält er für rechtlich nicht zweifelhaft.
Allerdings hat der BFH gegen die vom FG vorgenommene Schätzung sowohl hinsichtlich der Methodik als auch des Ergebnisses erhebliche rechtliche Bed...