BFH: Entscheidungsvorschau für 2024

Der BFH hat in einer Übersicht Verfahren von besonderem Interesse zusammengestellt, in denen voraussichtlich im laufenden Jahr 2024 mit einer Entscheidung gerechnet werden kann. Die interessantesten Verfahren aus den Bereichen Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer haben wir hier für Sie zusammengestellt.

Einkommensteuer

Einkünfte aus Gewerbebetrieb

Ausschluss der 1%-Regelung bei einem zum Betriebsvermögen gehörenden Kraftfahrzeug ohne Fahrtenbuch (III R 34 / 22): In dem Verfahren stellt sich die Frage, welche Kriterien heranzuziehen sind, um den Anscheinsbeweis der privaten Nutzung eines im Betriebsvermögen befindlichen PKW, für den kein Fahrtenbuch geführt wurde, zu erschüttern (§ 6 Abs.1 Nr. 4 Satz 2 und 3 Halbsatz1 EStG).

Schenkung eines verpachteten Hotelbetriebs (gegebenenfalls) unter Nießbrauchsvorbehalt (IV R 1 / 20): Der Vater schenkte seinen verpachteten Hotelbetrieb mit dem dazugehörigen Grundstück je hälftig an seine beiden Kinder, wobei er sich zunächst den Nießbrauch vorbehielt. Das Nießbrauchsrecht wurde zeitnah durch eine an den Vater zu leistende monatliche Rentenzahlung ersetzt. Die Kinder erklärten (als GbR) aus dem auf sie übergegangenen Hotelbetrieb Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Viele Jahre später setzten sich die Kinder unter anderem dergestalt auseinander, dass eines von ihnen sein hälftiges Miteigentum an dem Hotelgrundstück auf das andere übertrug. In dem Verfahren stellt sich insbesondere die Frage, ob die damalige Schenkung des verpachteten Hotelbetriebs an die Kinder von § 7 Abs. 1 EStDV (heute § 6 Abs. 3 EStG) erfasst ist, so dass die Übertragung des hälftigen Hotelgrundstücks infolge fortbestehender Betriebsvermögenseigenschaft ein steuerbares Veräußerungsgeschäft ist.

Verfassungsmäßigkeit des § 15 b EStG bei Definitivverlusten im Falle der Einstellung des Betriebs; Einbeziehung von Sonderbetriebsausgaben (IV R 6 / 22): Greift die Verlustabzugs- und -ausgleichsbeschränkung des § 15 b EStG nicht ein, soweit Verluste – im Streitfall infolge der Betriebsaufgabe der Gesellschaft nach Veräußerung ihres gesamten Betriebsvermögens durch den Insolvenzverwalter – nicht mehr mit zukünftigen Gewinnen aus derselben Einkunftsquelle ausgeglichen werden können? Ist die Vorschrift auf Verluste aus dem steuerlichen Sonderbetriebsvermögen bereits dem Grunde nach nicht anzuwenden?

Schätzung nach Maßgabe der sogenannten Richtsatzsammlung (X R 19 / 21): Sind die Besteuerungsgrundlagen nicht zu ermitteln oder zu berechnen, hat das Finanzamt diese nach § 162 AO zu schätzen. Dazu bedarf es geeigneter Schätzungsmethoden. Im Rahmen der vorliegenden Revision ist streitig, unter welchen Voraussetzungen ein äußerer Betriebsvergleich in Gestalt einer Richtsatzschätzung (BMF-Richtsätze) zulässig und geeignet ist. Das BMF ist diesem Verfahren beigetreten und tritt den in der steuerrechtlichen Literatur wiederholt dargelegten kritischen Meinungen entgegen.

Zeitliche Erfassung von Betriebseinnahmen (X R 3 / 22): Das FA hatte in einem Gastronomiebetrieb Hinzuschätzungen vorgenommen. Der BFH wird voraussichtlich Gelegenheit haben, sich mit den Folgen der objektiven Manipulierbarkeit technisch älterer Kassensysteme zu befassen. Streitig ist ferner, in welchem Zeitpunkt bei Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung Einnahmen aus Gutscheinen anzusetzen sind.

Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit

Lohnsteuerpauschalierung bei Betriebsveranstaltungen (VI R 5 / 22): Arbeitslohn, der aus Anlass einer Betriebsveranstaltung zufließt, kann gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG pauschal mit 25 % versteuert werden. Eine Betriebsveranstaltung lag nach bisheriger BFH-Rechtsprechung nur vor, wenn diese allen Betriebsangehörigen offenstand. Infolge der vom Gesetzgeber mit Wirkung ab 2015 in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a EStG neu geschaffenen Legaldefinition der Zuwendungen anlässlich von Betriebsveranstaltungen ist nunmehr jedoch umstritten, ob diese Voraussetzung weiterhin vorliegen muss. Hiermit wird sich der Bundesfinanzhof im Verfahren VI R 5 / 22 beschäftigen.

Einkünfte aus selbstständiger Arbeit

Freiberufliche Tätigkeit einer zahnärztlichen Partnergesellschaft (VIII R 4 / 22): Eine Personengesellschaft entfaltet nur dann eine freiberufliche Tätigkeit, wenn sämtliche Mitunternehmer die Merkmale eines freien Berufs erfüllen. Jeder Mitunternehmer muss über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und eine freiberufliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er persönlich qualifiziert ist, tatsächlich entfalten. Hierüber streiten die Beteiligten, weil ein Mitunternehmer in einer zahnärztlichen Partnerschaftsgesellschaft zwar approbierter Zahnarzt ist, aber ganz überwiegend nur Organisations-, Verwaltungs- und Management-Tätigkeiten ausübt und nur in geringem Umfang eigene zahnärztliche Beratungs- oder Behandlungsleistungen unmittelbar an Patienten erbringt.

Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen

Beiträge zur freiwilligen privaten Pflegeversicherung als unbeschränkt abzugsfähige Sonderausgaben (X R 10 / 20): Beiträge zur freiwilligen privaten Pflegeversicherung sind lediglich im Rahmen des Höchstbetrags im Sinne des § 10 Abs. 4, Abs. 4 a EStG als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Im Streitfall ist zu prüfen, ob ein unbeschränkter Abzug dieser Beiträge als Sonderausgaben verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums geboten ist, soweit erst aufgrund der freiwilligen privaten Pflegezusatzversicherung im Bedarfsfall ein Leistungsumfang erreicht wird, der dem sozialhilferechtlich gewährleisteten Leistungsniveau entspricht.

Wertgrenze für unschädliches Vermögen (VI R 21 / 21): Der Abzug von Unterhaltsaufwendungen und Aufwendungen für die Berufsausbildung für gesetzlich unterhaltsberechtigte oder diesen gleichgestellte Personen setzt nach § 33 a Abs. 1 Satz 4 EStG unter anderem voraus, dass die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt. Die Finanzverwaltung sieht insoweit Vermögen bis zu einem Wert von 15.500 € als unschädlich an. Der Bundesfinanzhof hat nun zu entscheiden, ob diese von ihm in der Vergangenheit gebilligte Grenze auch im Veranlagungszeitraum 2019 noch Bestand hat.

Körperschaftsteuer

Verdeckte Gewinnausschüttung bei irrtümlicher Vermögensverschiebung (I R 9 / 20): Im Zuge einer Kapitalerhöhung bei einer Tochter-GmbH durch eine von der Mutter-GmbH eingezahlte Kapitaleinlage wurde der neu entstandene Gesellschaftsanteil im Gesellschafterbeschluss irrtümlich (entgegen der ursprünglichen Absicht) der beherrschenden Gesellschafterin der Mutter-GmbH zugewiesen. Damit stellt sich die Rechtsfrage, ob die "irrtümliche Vermögensverschiebung" auf die Gesellschafterin als verdeckte Gewinnausschüttung einkommenserhöhend anzusetzen ist.

Körperschaftsteuerliche Organschaft und atypisch stille Beteiligung (I R 17 / 21): Hindert das Vorliegen eine atypisch stillen Beteiligung an einer Organgesellschaft die steuerliche Anerkennung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft, da die Organgesellschaft wegen der Gewinnanteile der stillen Gesellschafter nicht entsprechend dem Gewinnabführungsvertrag "ihren ganzen Gewinn" an ihren Organträger abführt? Und ist die tatsächlich erfolgte Gewinnabführung, wenn eine "verunglückte Organschaft" vorliegt, als verdeckte Gewinnausschüttung bei der Organgesellschaft einkommenserhöhend anzusetzen, auch wenn sie auf dem Gewinnabführungsvertrag beruht?

Bilanzsteuerrechtliche Behandlung von Steuernachforderungen (XI R 19 / 21): Ist eine Rückstellung für die Nachforderung nicht hinterzogener Steuerbeträge und für Steuerberatungskosten aufgrund einer Betriebsprüfung im Jahr der wirtschaftlichen Veranlassung oder in dem Jahr zu bilden, in dem der Sachverhalt von der Betriebsprüfung aufgegriffen wird?

Umsatzsteuer

Vorsteuerabzug bei Holding, die Darlehen vergibt? (V R 30 / 21): Streitig ist der Vorsteuerabzug einer Holding, die ihre Unternehmerstellung aus der Vergabe von Darlehen ableitet.

Ermittlung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlagen für die Bestandteile von sogenannten Sparmenüs in der Systemgastronomie beim Außer-Haus-Verkauf (XI R 19 / 23): Nach welcher Methode – Food-and-Paper-Kosten-Methode oder Einzelverkaufspreismethode (auch: Marktpreismethode) – ist der Gesamtpreis für ein sogenanntes Sparmenü in der Systemgastronomie bei Außer-Haus-Umsätzen für Zwecke der Umsatzsteuer auf die Lieferung der ermäßigt zu besteuernden Speisen und dem Regelsteuersatz unterliegende Getränke und "Non-Food-Bestandteile" aufzuteilen?

Beitragszahlungen an ein Fitnesscenter in Zeiten pandemiebedingter Schließung (XI R 36 / 22 und XI R 5 / 23): Sind Beitragszahlungen an ein Fitnesscenter auch dann als Entgelte für umsatzsteuerpflichtige Leistungen anzusehen, wenn das Fitnesscenter auf Grund einer vorübergehenden, pandemiebedingten Schließung keine Nutzung seiner Räumlichkeiten anbieten kann?

Jahresbericht des BFH 2023

Eine komplette Liste der im Jahr 2024 zu erwartenden Entscheidungen von besonderer Bedeutung finden Sie auf den Internetseiten des BFH unter " Anhängige Verfahren/Entscheidungsvorschau." Neben den 2024 zu erwartenden Entscheidungen von besonderer Bedeutung informiert der BFH zudem in seinem aktuellen Jahresbericht 2023 auch über die 2023 eingegangenen Revisionen von besonderem Interesse.

Hinweis: In den Eilverfahren des FG Rheinland-Pfalz zur strittigen Grundsteuerreform will der BFH bis zur Jahresmitte eine Entscheidung fällen. Eilverfahren sind aber nicht in der Übersicht des BFH enthalten.