Gemäß § 107 Abs. 1 FGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht zu berichtigen. Darüber hinaus kann gem. § 108 Abs. 1 FGO, soweit der Tatbestand eines Urteils andere Unrichtigkeiten oder Unklarheiten enthält, die Berichtigung binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beantragt werden. An einer Tatbestandsberichtigung kann jedoch nur insoweit ein berechtigtes Interesse bestehen, als damit die Grundlagen für eine Rechtmittelentscheidung geschaffen werden sollen (BFH v. 12.11.2012 – VI S 8/12, BFH/NV 2013, 400; BFH v. 20.4.2010 – VI S 1/10, BFH/NV 2010, 1467 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn gegen das Urteil – wie im Streitfall gegen ein letztinstanzliches Urteil des BFH – kein Rechtmittel gegeben ist. Das für eine Tatbestandsberichtigung erforderliche Rechtsschutzinteresse lässt sich auch nicht aus einer beabsichtigten Einlegung einer Verfassungsbeschwerde beim BVerfG herleiten, weil in diesem Verfahren keine Tatbestandsbindung besteht (BFH v. 21.9.2021 – X S 22/21, BFH/NV 2022, 124 = AO-StB 2022, 44 (Lindwurm); BFH v. 12.11.2012 – VI S 8/12, BFH/NV 2013, 400; Ratschow in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 108 Rz. 16). Im Streitfall hat die Antragstellerin zudem ihr Rechtschutzbedürfnis für eine Tatbestandsberichtigung auf den Umstand gestützt, dass im Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vor dem BFH die gestellten Anträge nur zusammengefasst wiedergegeben worden seien. Dies begründet nach Auffassung des BFH jedoch auch kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Tatbestandsberichtigung. Die Antragstellerin hat nämlich nicht dargelegt, inwieweit die zusammengefasste Wiedergabe ihrer Anträge das von ihr beantragte Rechtsschutzziel nicht enthalten solle und ob und in welchem Umfang das von ihr im Ausgangsverfahren erstrebte Rechtsschutzziel deshalb verfehlt worden sei.
Gemäß § 108 Abs. 2 S. 1 FGO entscheidet das Gericht über einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung ohne Beweisaufnahme durch Beschluss. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 108 Abs. 2 S. 2 FGO). Gemäß § 108 Abs. 2 S. 3 FGO wirken bei der Entscheidung nur die Richter mit, die beim Urteil mitgewirkt haben. Dies gilt auch dann, wenn der Antrag auf Tatbestandsberichtigung unzulässig ist (BFH v. 21.9.2021 – X S 22/21, BFH/NV 2022, 124 = AO-StB 2022, 44 (Lindwurm)). Ist ein Richter verhindert, gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag (§ 108 Abs. 2 S. 4 FGO). Scheidet ein Richter, der an einem Urteil mitgewirkt hat, aus dem Spruchkörper aus, gilt er als verhindert, ohne dass eine Vertretung erfolgt (BFH v. 8.5.2003 – IV R 63/99, BStBl. II 2003, 809 = AO-StB 2003, 329; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 108 FGO Tz. 7 [Apr. 2019]).
BFH v. 3.5.2023 – IX S 17/21
Service: Borgdorf, Aktuelle Rechtsprechung zum Verfahrensrecht, AO-StB 2023, 72; abrufbar unter steuerberater-center.de