Mit einem aktuellen Beschluss hat der BFH entschieden, dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf außergerichtliche Gewährung von Akteneinsicht oder für ein hierauf bezogenes Rechtsmittel entfällt, wenn der Steuerpflichtige ein finanzgerichtliches Verfahren in Gang gesetzt hat, in dem die streitgegenständlichen Akten dem Gericht vorgelegt wurden und aus diesem Grund ein umfassendes Recht auf Akteneinsicht gem. § 78 FGO besteht. Im Streitfall wollte der Kläger die Einsichtnahme in die Handakte der Prüferin erreichen, die diese bei einer durchgeführten Ap erstellt hatte. Die diesbezügliche Klage wies das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 26.7.2021 ab (FG BW v. 26.7.2021 – 10 K 3159/20). Hiergegen legte der Kläger Revision ein, mit der er sein Ziel weiter verfolgte. Zudem hat der Kläger gegen die nach der Ap erlassenen Änderungsbescheide beim FG Baden-Württemberg Klage erhoben. In diesem Verfahren hat das FG hat u.a. die Handakte der Ap beigezogen, in der der Kläger jedoch noch keine Einsicht genommen hatte. Der BFH verwarf die Revision des Klägers als unzulässig. Das für die Revision erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, das eine ungeschriebene Sachurteilsvoraussetzung darstellt (BFH v. 30.8.2023 – X B 58/23), ist entfallen. Fehlt das Rechtsschutzbedürfnis von Anfang an oder fällt es weg, ist bzw. wird der gerichtliche Rechtsbehelf unzulässig (BFH v. 7.6.1994 – IX R 141/89, BStBl. II 1994, 756). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt u.a. dann, wenn es für den Rechtsbehelfsführer einen verfahrensmäßig einfacheren und/oder schnelleren Weg gibt, das angestrebte Rechtsschutzziel zu erreichen (BFH v. 3.7.2014 – III R 53/13, BStBl. II 2015, 282 = AO-StB 2015, 42; Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 40 FGO Rz. 165). Nicht ausreichend ist das Bedürfnis, abstrakte Rechtsfragen klären zu wollen (BFH v. 7.1.2022 – III B 34/01, BFH/NV 2002, 665).
Im Streitfall bedarf es zur Erreichung des Ziels des Klägers, nämlich der Einsichtnahme in die Handakte der Ap, keiner Entscheidung des Senats des BFH im Revisionsverfahren, ob und nach Maßgabe welcher Rechtsgrundlage dem Kläger ein Akteneinsichtsrecht zustehen könnte. Die Handakte wurde durch das FG, bei dem die Klagen gegen die aufgrund der Ap ergangenen Änderungsbescheide anhängig sind, beigezogen. Damit steht dem Kläger gem. § 78 Abs. 1 S. 1 FGO ein Akteneinsichtsrecht zu, das auch diese Handakte umfasst und durch das FG nicht beschränkt werden kann. Unerheblich für den Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses ist nach Auffassung des BFH, dass der Kläger bislang von diesem Recht kein Gebrauch gemacht hat.
BFH v. 21.5.2024 – IX R 28/22