BFH- und FG-Entscheidungen
[Ohne Titel]
StB Helmut Tormöhlen, VorsRiLG a.D.
Als Fortsetzung der Rechtsprechungsübersicht in AO-StB 5/2023 (Tormöhlen, AO-StB 2023, 147) werden wieder praxisrelevante FG- und BFH-Entscheidungen zum Thema Außenprüfung vorgestellt, die bisher noch nicht im AO-StB besprochen wurden.
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I. Schätzung bei formellen und materiellen Mängeln der Kassenführung (§§ 145 ff. AO)
Formelle Mängel der steuerlichen Aufzeichnungen berechtigen insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Ergebnisses der Gewinnermittlung anzuzweifeln (st. Rspr.; vgl. BFH v. 24.6.1997 – VIII R 9/96, BStBl. II 1998, 512 = DStZ 1998, 446 = HFR 1998, 166; v. 15.2.1989 – X R 16/86, BStBl. II 1989, 462 = HFR 1989, 350; v. 17.1.1989 – BFH v. 17.11.1981 – VIII R 174/77, BStBl. II 1982, 430; Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 158 AO Rz. 5 ff. [Juni 2012]; Schoor in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 3 Stichwort "Schätzung bei Betriebsprüfungen" Rz. 37 ff. m.w.N. [März 2017]).
Dies gilt etwa auch für die Manipulierbarkeit der vom im Restaurant des Steuerpflichtigen verwendeten elektronischen Registrierkasse eines sehr einfachen Typs, die objektiv manipulierbar ist und somit nicht den Anforderungen des § 145 Abs. 2 AO entspricht (vgl. hierzu Görke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 145 AO Rz. 20 [März 2011]). Ferner verstößt es gegen § 145 Abs. 2 AO, wenn Änderungen des Zählerstandes einer Registrierkasse undokumentiert bleiben. Nach § 145 Abs. 2 AO sind Aufzeichnungen so vorzunehmen, dass der Zweck, den sie für die Besteuerung erfüllen sollen, erreicht wird. Die lückenlose Abfolge laufend durchnummerierter Z-Bons stellt eine wesentliche Anforderung an den Inhalt der für die Besteuerung zu fordernden Aufzeichnungen dar.
Die Verwendung eines objektiv manipulierbaren Kassensystems stellt einen gravierenden Mangel dar, weil dann systembedingt keine Gewähr für die Vollständigkeit der Einnahmenaufzeichnung besteht (vgl. hierzu Schumann, AO-StB 2017, 151).
Wenn die betreffende Kassen-Software bereits 1987 bzw. 1988 geschrieben worden und die vom Steuerpflichtigen verwendete Kasse nach 2002 nicht mehr in Deutschland vertrieben worden ist, durfte die Kasse spätestens mit dem Inkrafttreten des § 146a AO am 1.1.2020 nicht mehr eingesetzt werden (vgl. BMF v. 26.11.2020 – IV A 4 - S 0316/08/10004-07, BStBl. I 2010, 1342).
BFH v. 28.11.2023 – X R 3/22
II. Nachkalkulation im Rahmen einer Außenprüfung (§ 162 AO)
Wenn nach der Überzeugung des FG die Buchführung auch materiell unrichtig ist, weil nicht sämtliche Einnahmen erfasst sind, kann nach den Grundsätzen des geminderten Beweismaßes auch eine vGA (§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG) angenommen werden, wenn der Sachverhalt dies nahelegt. So ist es nicht zu beanstanden, dass die Zurechnung eines Mehrgewinns nach einer Betriebsprüfung bei einer GmbH zum Alleingesellschafter erfolgt ist. Denn die Betriebsprüferin hatte bei einer GmbH, welche ein Taxiunternehmen betreibt, eine Nachkalkulation vorgenommen, die eine Differenz zu den erklärten Umsätzen von netto rd. 155.000 EUR ergab. Ferner war aus einer Kontrollmitteilung ersichtlich, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer von der GmbH eine Barzahlung von 165.850 EUR erhalten hatte. Dann aber ist der Schluss gerechtfertigt, dass der Geschäftsführer und Alleingesellschafter diese Zahlung als vGA erlangt hat und sie kann bei diesem als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 S. 2 EStG) angesetzt werden (zur Problematik der vGA durch kalkulierte Mehrumsätze der Kapitalgesellschaft vgl. Harle / Kuhlemann in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 6 Stichwort "Verdeckte Gewinnausschüttungen" Rz. 146 [Juni 2016]).
FG Düsseldorf v. 18.12.2023 – 8 K 868/23 E
III. Zulässigkeit einer Außenprüfung (§ 193 AO)
Nach § 193 Abs. 1 AO ist eine Außenprüfung u.a. bei Steuerpflichtigen zulässig, die einen gewerblichen Betrieb unterhalten. Für den sachlichen Umfang der angeordneten Prüfung gilt der durch § 194 Abs. 1 S. 2 AO vorgegebene Rahmen. Danach kann die Außenprüfung beim Steuerpflichtigen mehrere Steuerarten und mehrere Besteuerungszeiträume umfassen.
Das Gesetz enthält insoweit eine tatbestandlich voraussetzungslose Prüfungsermächtigung. Im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO sind somit Außenprüfungen in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbots grundsätzlich unbeschränkt zulässig. Weder der AO noch der BpO 2000 ist zu entnehmen, dass Außenprüfungen nur in einem bestimmten Turnus oder mit zeitlichen Abständen erfolgen dürfen.
Die Bestimmung der Prüfer für eine Betriebsprüfung ist kein anfechtbarer VA nach § 118 AO. Zwar sind gem. § 197 Abs. 1 AO auch die Namen der Prüfer bekanntzugeben. Aus dieser Verpflichtung für das FA folgt jedoch nicht, dass die Bestimmung des Prüfers ein VA wäre. Denn diese Vorschrift sagt nichts über die Rechtsnatur der dem Beteiligten bekanntzugebenden Entscheidung des FA über die Person des beauftragten Prüfers aus. Die Bestimmu...