Unterschiede im Ansatz oder in der Bewertung von Bilanzposten zwischen Handels- und Steuerbilanz der Organgesellschaft führen zu einem Auseinanderfallen zwischen
- der handelsrechtlichen Gewinnabführung und
- dem Steuerbilanzgewinn, der in dem – nach § 14 Abs. 1 S. 1 KStG dem Organträger zuzurechnendem – Einkommen enthalten ist.
Die Folgen dieser Mehr- bzw. Minderabführungen für den Organträger werden insbesondere geregelt durch
a) Geändertes Besteuerungskonzept bei in organschaftlicher Zeit verursachten Mehr-/Minderabführungen
Das Besteuerungskonzept für die in organschaftlicher Zeit verursachten Mehr- bzw. Minderabführungen hat sich durch das KöMoG geändert:
- Bis VZ 2021 werden in der Steuerbilanz des Organträgers steuerliche Ausgleichsposten gebildet (Ausgleichspostenkonzept).
- Ab VZ 2022 sind Minderabführungen als Einlagen in die Organgesellschaft und Mehrabführungen als Einlagerückgewähr der Organgesellschaft zu behandeln (Einlagekonzept).
Übergangsrecht: In § 34 Abs. 6e S. 5–20 KStG wird bestimmt, das neue Recht erstmals auf Minder- und Mehrabführungen anzuwenden, die nach dem 31.21.2021 erfolgen. In der Steuerbilanz des Organträgers sind noch bestehende Ausgleichsposten (nach altem Recht) dann aufzulösen und gegen die Beteiligung an der Organgesellschaft auszubuchen. Wenn sich wegen eines rechnerischen Überhangs eines passiven Ausgleichspostens über den Buchwert der Beteiligung einschließlich aktivem Ausgleichsposten ein Ertrag ergibt, kann dieser zu 9/10 in eine Rücklage eingestellt werden, die über die folgenden neun Jahre aufzulösen ist.
Die Verwaltungsauffassung der Neuregelung wird nicht in den neuen KStR 2022 dargestellt, sondern im BMF-Schreiben v. 29.9.2022. Durch das (erst danach beschlossene) JStG 2022 wurde die Verwaltungsauffassung teilweise in das Gesetz übernommen. Einige Neuerungen sind aber hinzugekommen und nicht im BMF-Schreiben enthalten.
b) Kein geändertes Besteuerungskonzept bei in vororganschaftlicher Zeit verursachten Mehr-/Minderabführungen
Die Regelungen zu Mehr- bzw. Minderabführungen bei vororganschaftlicher Verursachung (§ 14 Abs. 3 KStG) wurden nicht geändert. Danach gelten weiterhin vororganschaftlich verursachte
c) Vororganschaftliche oder organschaftliche Verursachung?
Ob eine Mehr- oder Minderabführung unter
fällt, ist nach dem BFH-Urteil v. 21.2.2022 ausnahmslos nach der Zeitdimension zu beurteilen: Der Geschäftsvorfall, welcher zu einem Unterschied zwischen der handelsrechtlichen Gewinnabführung und der Vermögensmehrung in der Steuerbilanz führt, ist entweder in einer Handels- bzw. Steuerbilanz
- vor dem Wirksamwerden eines EAV oder
- während eines wirksamen EAV
zu bilanzieren. Damit werde jede Mehr- bzw. Minderabführung eingeordnet. Eine weitere Kategorie als "außerorganschaftlich" (statt "vororganschaftlich") verursachte Mehr- bzw. Minderabführung gebe es nicht.
Beispiel
(Fall angelehnt an BFH v. 21.2.2022 – I R 51/19, GmbH-StB 2022, 230 [Görden]): Die E-GmbH wird steuerlich zum Buchwert (§ 11 Abs. 1 UmwStG), aber handelsrechtlich zum Zeitwert (Verkehrswert) auf ihren Anteilseigner T-GmbH (Organgesellschaft) verschmolzen (Aufwärtsverschmelzung). Es entsteht dadurch umwandlungsbedingt eine Mehrabführung in Höhe der Differenz zwischen dem Buchwert (Steuerbilanz) und dem Verkehrswert (Handelsbilanz) durch die T-GmbH (Organgesellschaft) an ihre Anteilseignerin M-GmbH (Organträgerin).
Lösung: Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung im UmwSt-Erlass 2011 handelt es sich um eine in organschaftlicher Zeit verursachte Mehrabführung nach § 14 Abs. 4 KStG (bis VZ 2021: Ausgleichspostenmethode; ab VZ 2022: Einlagemethode). Die Mehrabführung ist also nicht als fiktive Gewinnausschüttung nach § 14 Abs. 3 S. 1 KStG zu behandeln.
Beraterhinweis Die Finanzverwaltung hat das Urteil bisher nicht durch eine Veröffentlichung im BStBl. Teil II oder durch einen geänderten UmwSt-Erlass anerkannt.
d) Revisionsverfahren I R 27/22
Beim BFH ist zudem das Revisionsverfahren I R 27/22 zu der Frage anhängig, ob für die Beurteilung, ob eine Mehr- bzw. Minderabführung als vororganschaftlich anzusehen ist, eine fiktive und damit zutreffende Handelsbilanz mit der Steuerbilanz verglichen werden muss. In dem Fall hatte eine Gesellschaft im WJ 2012 (vor Beginn des EAV zum 1.1.2013) eine Abschreibung...