1. Einführung
Der BFH versucht, bzgl. der Voraussetzung der personellen Verflechtung ein Stück weit Klarheit zu bringen. Das gelingt nur bedingt. Bekanntermaßen setzt das Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung
- die sachliche Verflechtung sowie
- die personelle Verflechtung
voraus.
Die sachliche Verflechtung liegt vor, wenn aus Sicht des Geschäftsführers (GF) der Betriebsgesellschaft eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage überlassen wird.
Die personelle Verflechtung liegt vor, wenn sich der Gesellschafter oder die Gesellschaftergruppe, die die funktional wesentliche Betriebsgrundlage überlässt, mit ihrem Willen
- sowohl bezogen auf die funktional wesentliche Betriebsgrundlage
- als auch in der Betriebsgesellschaft
durchsetzen kann.
Schwierige Systematisierung der Rechtsprechung: Die Rechtsprechung zur personellen Verflechtung ist inzwischen so ausdifferenziert, dass es immer schwieriger wird, diese zu systematisieren:
- Kommt es auf die Willensbildung in der Gesellschafterversammlung an?
- Kommt es auf die Durchsetzung der alltäglichen Geschäfte – und insbesondere des Überlassungsverhältnisses – an, so dass Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis entscheidend sind?
Nach der Rechtsprechung ist es die Kombination aus beidem, ohne dass eine überzeugende Linie zu erkennen ist.
2. Personelle Verflechtung
a) Zurechnung der Stimmen minderjähriger Kinder
Finanzverwaltung rechnet Stimmrechte minderjähriger Kinder zu: Die Finanzverwaltung rechnet bei der Prüfung der Voraussetzung der personellen Verflechtung den sorgeberechtigten Eltern die Stimmrechte minderjähriger Kinder zu (R 15.7 Abs. 8 EStR).
Kritik: Dies ist m.E. unzulässig. Auch wenn es naheliegt, dass die Eltern die Stimmrechte der minderjährigen Kinder genauso ausüben wie ihre eigenen Stimmrechte, rechtfertigt dies gleichwohl nicht die Zurechnung der Stimmrechte der minderjährigen Kinder zu den Stimmrechten der Eltern. Die Eltern sind bei Ausübung der Personen- und Vermögenssorge gehalten, im Eigeninteresse der Kinder zu handeln. Ebenso wenig wie die Stimmrechte von Ehegatten zusammengerechnet werden dürfen, dürfen die Stimmen von Eltern und minderjährigen Kindern zusammengerechnet werden.
Ergänzungspflegschaft: Im Besprechungsurteil stellt der X. Senat des BFH klar, dass eine Zurechnung jedenfalls dann zu unterbleiben hat, wenn für das Kind eine Ergänzungspflegschaft angeordnet ist. Beachten Sie: Ob eine Stimmenzurechnung ohne Ergänzungspflegschaft zulässig ist, lässt der Senat offen.
Beraterhinweis Insoweit ist in der Praxis nach wie vor Vorsicht geboten.
Beispiel 1
Die Mutter ist Alleineigentümerin des Betriebsgrundstücks, welches an die Betriebs-GmbH überlassen wird. An der Betriebs-GmbH sind beteiligt:
- die Mutter zu 40 %,
- das minderjährige Kind (für welches sie das alleinige Sorgerecht hat) mit 20 % und
- ein fremder Dritter mit 40 %.
Fraglich ist, ob die Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung erfüllt sind.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung im Beispielsfall erfüllt, da die Stimmrechte des minderjährigen Kindes in der Betriebskapitalgesellschaft der Mutter zuzurechnen sind. Damit beherrscht sie sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebskapitalgesellschaft. Beachten Sie: Mit dem 18. Geburtstag des Kindes
- endet die Betriebsaufspaltung mit der Konsequenz
- der Aufdeckung der stillen Reserven im Betriebsgrundstück und in der GmbH-Beteiligung der Mutter.
Beraterhinweis Vor dem Hintergrund
- der Auffassung der Finanzverwaltung sowie
- der mangelnden Klarheit der Rechtsprechung in dieser Fallkonstellation
ist in der Praxis darauf zu achten, dass – bezogen auf den GmbH-Anteil des Kindes – von Beginn an eine Ergänzungspflegschaft angeordnet wird, damit die Stimmen des Kindes nicht der Mutter zugerechnet werden.
Andernfalls: Einbringung des Besitzunternehmen in GmbH & Co. KG: Ist das nicht erfolgt, sollte das Besitzunternehmen vor dem 18. Geburtstag des Kindes in eine GmbH & Co. KG eingebracht werden, damit nach Wegfall der personellen Verflechtung aufgrund der Volljährigkeit des Kindes Betriebsgrundstück und GmbH-Beteiligung der Mutter weiterhin steuerlich in einem Betriebsvermögen verstrickt sind.
b) Erfordernis der Stimmrechtsmehrheit
50 % plus eine Stimme: Im Besprechungsurteil stellt der X. Senat klar, dass die personelle Verflechtung die Stimmrechtsmehrheit
- im Besitzunternehmen und
- in der Betriebskapitalgesellschaft
erfordert.
Sowohl im Besitzunternehmen als auch in der Betriebskapitalgesellschaft muss der Gesellschafter bzw. die Gesellschaftergruppe, die die funktional wesentliche Betriebsgrundlage überlassen, 50 % plus eine Stimme haben. Beachten Sie: Dieses Erfordernis soll auch dann gelten, wenn der betroffene Gesellschafter
- das Besitzunternehmen beherrscht,
- 50 % der Stimmen in der Betriebskapitalgesellschaft innehat und
- GF ist.
Beispiel 2
A ist Alleineigentümerin des Betriebsgrundstücks. Dieses überlässt sie an die A-GmbH. An der A-GmbH ist si...