Leitsatz
Geht das Vermögen eines Organträgers innerhalb der ersten fünf Jahre eines Ergebnisabführungsvertrags auf ein anderes Rechtssubjekt über, steht dies bei ununterbrochener Durchführung des Vertrags der steuerrechtlichen Anerkennung der körperschaftsteuerlichen Organschaft ab diesem Zeitpunkt auch dann nicht entgegen, wenn die Organschaft in den Vorjahren wegen fehlender finanzieller Eingliederung nicht anzuerkennen war.
Normenkette
§ 14 Abs. 2 KStG 2002, § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 3 Satz 1 KStG 2002 n.F., § 726, § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB
Sachverhalt
Die klagende AG wurde im Jahre 2000 als GmbH gegründet. Am 2.11.2000 errichteten ihre Gesellschafter (die ED AG und die SW AG) die GbRalt als sog. Willensbildungsgesellschaft, um eine sog. Mehrmütterorganschaft (§ 14 Abs. 2 KStG 2002) mit der (inzwischen in eine AG formgewechselten) Klägerin als Organgesellschaft zu bilden. Der Ergebnisabführungsvertrag (ebenfalls vom 2.11.2000) sah eine Laufzeit "auf unbestimmte Zeit" vor; er konnte zum Ablauf des 31.12.2006 gekündigt werden. Das FA erkannte die organschaftliche Vereinbarung in 2001 und 2002 steuerrechtlich an. Im Folgejahr war die GbRalt aufgrund der Aufhebung des § 14 Abs. 2 KStG 2002 (StVergAbG) nicht mehr als Organträgerin anzusehen. Gleichwohl ließen die Vertragsparteien den Vertrag bis zum 31.12.2005 unverändert fortbestehen und führten ihn auch durch. 2003 und 2004 wurden bei der Klägerin insoweit eine verdeckte Einlage bzw. eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) angesetzt.
Mit einem nach den FG-Feststellungen nicht datierten Vertrag übertrug die SW AG ihren Anteil an der GbRalt "rückwirkend zum 1.1.2005" der ED AG zu einem Kaufpreis, der ihrer Beteiligung an dem von der SW AG an die GbRalt abgeführten Gewinn entsprach. Der Übergang des Ergebnisabführungsvertrags auf die ED AG mit Wirkung vom 1.1.2005 wurde am 14.11.2005 in das Handelsregister eingetragen.
Am 8.11.2005 gründeten die ED AG und die SW AG eine gewerblich tätige GbR (GbRneu), auf die die Anteile an der Klägerin übertragen wurden. Der mit der GbRalt geschlossene Ergebnisabführungsvertrag "wurde zum 31.12.2005 beendet bzw. als beendet angesehen"; die Klägerin schloss einen neuen Ergebnisabführungsvertrag mit der GbRneu ab (Laufzeit ab dem 1.1.2006).
In ihrer Körperschaftsteuererklärung des Streitjahrs 2005 ging die Klägerin von einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft zwischen ihr und der ED AG aus. Dem folgte das FA nicht. Die gegen die Steuerfestsetzung (einkommenserhöhender Ansatz einer vGA i.H.d. Gewinnabführung) erhobene Klage war erfolgreich (FG des Saarlandes, Urteil vom 16.6.2015, 1 K 1109/13, Haufe-Index 8750900, EFG 2016, 396).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA zurück.
Hinweis
1. Es geht um zwei Problemkreise bei der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft: Zunächst um die Möglichkeit der Rechtsnachfolge in einen Ergebnisabführungsvertrag (s. zu 2.), sodann um die Mindestvertragslaufzeit in der Situation der "unterbrochenen Organschaft" (Anwendungssperre für Folgejahre? – s. zu 3.).
2. Der ursprüngliche Ergebnisabführungsvertrag (unstreitige Anerkennung der Organschaft in den beiden Erstjahren) blieb ungeachtet der Rechtsnachfolge wirksam und war geeignet, ein Organschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und der Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Organträgerin (GbRalt) auch im Streitjahr zu begründen. Denn die Änderung der gesetzlichen Regelungslage zur sog. Mehrmütterorganschaft (Abschaffung des § 14 Abs. 2 KStG 2002) berührt weder die zivilrechtliche Existenz der GbRalt "als solche" (insbesondere liegt keine "Zweckerreichung" vor) noch die zivilrechtliche Wirksamkeit der organschaftlichen Vereinbarung; der Ergebnisabführungsvertrag ist später auf die Rechtsnachfolgerin der GbRalt übergegangen (Gesamtrechtsnachfolge).
Insoweit besteht kein Hindernis darin, dass nach der gesetzlichen Regelung der Gewinn der Organgesellschaft an "ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen" abzuführen ist; ein damit verbundener Subjektbezug ist jedenfalls in der Situation der Gesamtrechtsnachfolge gewahrt.
3. Eine Anwendungssperre für das Streitjahr ("unterbrochene Organschaft") besteht nicht. Denn dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass stets alle Tatbestandsmerkmale der steuerrechtlichen Anerkennung erfüllt sein müssen, um dem Erfordernis des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG 2002 n.F. zu genügen, nach dem der Vertrag im Rahmen der Mindestvertragslaufzeit "während seiner gesamten Geltungsdauer" durchgeführt werden muss.
Das Erfordernis der Vertragsdurchführung bezieht sich auf die zivilrechtlichen Vertragspflichten, nicht allgemein auf die steuerrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 KStG. Wenn die Mindestvertragsdauer (5 Jahre) dazu dient, auszuschließen, dass die Organschaft zum Zweck willkürlicher Beeinflussung der Besteuerung und zu Einkommensverlagerungen von Fall zu Fall abgeschlossen bzw. beendet wird, ist dem durch die laufzeitbezogene vertragliche Verpflichtung begegnet. Dem Hinweis, dass auch ...