OFD Koblenz, Verfügung v. 25.8.2000, S 0370 B - St 52 2

Zweck des Anfechtungsgesetzes ist es, unter bestimmten, fest begrenzten Voraussetzungen Vermögenswerte, welche ein Schuldner aus seinem Vermögen weggegeben hat, dem Vollstreckungszugriff des Gläubigers wieder zu erschließen. Es stellt sich daher die Frage, ob verdeckte Gewinnausschüttungen unter die Vorschriften des Anfechtungsgesetzes subsumiert werden können.

 

1. Definition der verdeckten Gewinnausschüttung

Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (BFH-Urteil vom 11.12.1991, I R 49/90, BStBl 1992 II S. 434). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (BFH-Urteil vom 16.3.1967, I 261/63, BStBl 1967 III S. 626).

 

2. Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz 1999

Im Rahmen der Insolvenzrechtsreform wurde das AnfG 1879 durch das AnfG 1999 ersetzt. Nach dieser Neufassung sind anfechtbar:

  • Rechtshandlungen, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor der Anfechtung mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz kannte § 3 Abs. 1 AnfG).
  • entgeltliche, in den letzten zwei Jahren vor der Anfechtung geschlossene Verträge des Schuldners mit einer nahestehenden Person, durch welche die Gläubiger unmittelbar benachteiligt werden, es sei denn, dem anderen Teil war der Vorsatz, die Gläubiger zu benachteiligen, bei Vertragsabschluß nicht bekannt § 3 Abs. 2 AnfG).
  • unentgeltliche Leistungen des Schuldners in den letzten vier Jahren vor der Anfechtung mit Ausnahme von gebräuchlichen Gelegenheitsgeschenken geringen Werts § 4 AnfG).

Weitere Anfechtungstatbestände sind in den § 5 AnfG (Rechtshandlungen der Erben) und § 6 AnfG (Rückgewähr von kapitalersetzenden Darlehen) enthalten.

 

3. Anfechtungsgesetz und verdeckte Gewinnausschüttung

Sachverhalte, die unter dem Gesichtspunkt einer verdeckten Gewinnausschüttung zu würdigen sind, können grundsätzlich auch die Voraussetzungen einer Gläubigeranfechtung erfüllen – dies gilt für die vier Grundfälle, unter die sich die meisten verdeckten Gewinnausschüttungen einordnen lassen:

vGA-Sachverhalt § 3 Abs. 1 § 3 Abs. 2 § 4
  AnfG AnfG AnfG
Die Kapitalgesellschaft veräußert Wirtschaftsgüter an den Gesellschafter      
a) unentgeltlich oder x   x
b) gegen ein unangemessen niedriges Entgelt x x  
Die Kapitalgesellschaft erwirbt vom Gesellschafter Wirtschaftsgüter gegen ein unangemessen hohes Entgelt x x  
Die Kapitalgesellschaft überläßt dem Gesellschafter Dienste, Kapital oder Wirtschaftsgüter zur Nutzung unentgeltlich oder x x  
gegen ein unangemessen niedriges Entgelt x x  
Die Kapitalgesellschaft nutzt Dienste, Kapital und Wirtschaftsgüter des Gesellschafters gegen ein unangemessen hohes Entgelt x x  

Diesen Grundfällen der verdeckten Gewinnausschüttung werden im Regelfall Rechtshandlungen des Schuldners (d.h. der Organe der Kapitalgesellschaft) zugrunde liegen, die unter § 1 Abs. 1 AnfG fallen können, wenn durch sie Gläubigerbenachteiligungen eintreten. Gerade in den Fällen der verdeckten Gewinnausschüttung erbringt der Anfechtungsgegner keine gleichwertigen Gegenleistungen, die die objektive Benachteiligung entkräften könnten.

Kann die Frage der (zumindest bedingt) vorsätzlichen Benachteiligung nach § 3 AnfG bejaht werden, dürfte dies bei der gegebenen gesellschaftsrechtlichen Verflechtung der Beteiligten auch für die Kenntnis des „anderen Teils” gelten. Angesichts der Doppelfunktion der handelnden Personen – einerseits als Organ oder Gesellschafter der Kapitalgesellschaft, andererseits als Anfechtungsgegner – dürften sich bei solchen Fallgestaltungen die Nachweisschwierigkeiten des Gläubigers in Grenzen halten.

 

4. Gründungskosten einer Kapitalgesellschaft als verdeckte Gewinnausschüttung

Übernimmt eine Kapitalgesellschaft die Kosten ihrer Gründung, obwohl diese Kosten zivilrechtlich von den Gesellschaften zu tragen sind, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor (BFH-Urteil vom 11.2.1997, I R 42/96 = BFH/NV 1997 S. 711). Gerade in den Fällen einer in Zahlungsschwierigkeiten geratenen jungen Kapitalgesellschaft eröffnen sich die Möglichkeiten der Anfechtung.

 

5. Zusammenarbeit innerhalb des Finanzamts

Für die Vollstreckungsstellen ist die Information über eine verdeckte Gewinnausschüttung unerläßlich. Es ist daher wichtig, daß die Veranlagungsstelle bzw. die Betriebsprüfung die Vollstreckung in geeigneten Fällen über eine verdeckte Gewinnausschüttung zeitna...

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