Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Wurde trotz des in einem Vorjahr erfolgten Kirchenaustritts in der von einem Steuerberater erstellten Einkommensteuererklärung eine Kirchenmitgliedschaft des Steuerpflichtigen angegeben und wurde deswegen Kirchensteuer festgesetzt, so kann die bestandskräftig gewordene Kirchensteuerfestsetzung nicht mehr nach den Änderungsvorschriften der Abgabenordnung geändert werden.
Sachverhalt
Der gewerbliche Beteiligungseinkünfte erzielende Steuerpflichtige trat zum 22.12.2014 aus der evangelischen Kirche aus. In seiner Einkommensteuererklärung 2017, die von seinem Steuerberater elektronisch abgegeben wurde, gab er jedoch weiterhin eine Religionszugehörigkeit zur evangelischen Kirche an. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung setzte das Finanzamt daher Kirchensteuer fest. Der Einkommensteuerbescheid wurde bestandskräftig. Den Antrag des Steuerberaters des Steuerpflichtigen, die Kirchensteuerfestsetzung gem. § 175b AO aufzuheben, lehnte das Finanzamt ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Änderungsvorschrift des § 175b AO greife nicht ein, da es sich bei der Kirchenmitgliedschaft nicht um meldepflichtige Daten i. S. d. § 93c AO handele. Die Vorschrift des § 39e EStG regele ausschließlich die Verpflichtung der Datenübermittlung im Verfahren zur Bildung und Anwendung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale. Diese seien vom Arbeitgeber im Bedarfsfall abzurufen. Der Steuerpflichtige sei im Streitjahr jedoch kein Arbeitnehmer gewesen. Daher habe auch keine Verpflichtung zur Datenübermittlung für Zwecke der Lohnsteuerabzugsmerkmale bestanden.
Entscheidung
Das FG wies die eingelegte Klage ab und entschied, dass es sich für eine Änderung nach § 175b AO um für die Steuerfestsetzung übermittelte Daten handeln muss. Dagegen regelt § 39e EStG das technische Verfahren, das Lohnsteuerabzugsmerkmale (§ 39 EStG) automatisiert bildet und aus ihnen elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) macht. Hier geht es nicht um Datenmeldepflichten im Zusammenhang mit einer Steuerfestsetzung, sondern bezüglich des Lohnsteuerabzugs. Aus der fehlenden Bezugnahme auf die Regelungen in § 93c AO ist nach Auffassung des FG zu schließen, dass die Änderungsvorschrift des § 175b AO im Zusammenhang mit der Datenübertragung nach § 39e Abs. 2 Satz 2 EStG nicht anwendbar ist. Eine Bescheidänderung nach § 129 AO scheiterte bereits am Vorhandensein einer offenbaren Unrichtigkeit. Auch § 173 AO kam nicht in Betracht, da der Steuerberater es grob fahrlässig unterlassen hatte, die Steuererklärung vor Einreichung beim Finanzamt auf deren Richtigkeit im Hinblick auf die Eintragung zur Religionszugehörigkeit zu überprüfen. Den Steuerpflichtigen trifft hinsichtlich der in der Steuererklärung zu beantwortenden Fragen über seine persönlichen Verhältnisse und damit auch hinsichtlich der Kirchenzugehörigkeit eine erhöhte Nachprüfungspflicht. Letztlich kam auch § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht zur Anwendung, da die Bescheinigung der Standesbeamtin der Gemeinde über den Kirchenaustritt kein Verwaltungsakt (§ 118 AO) ist und damit keinen Grundlagenbescheid darstellen kann.
Hinweis
Der Fall macht einerseits deutlich, wie wichtig es ist, Steuererklärungen vor der Abgabe an das Finanzamt genau auch im Hinblick auf Übertragungsfehler aus dem Vorjahr hin zu überprüfen. Im Streitfall hätte zudem der Fehler bei der Prüfung des erhaltenen Steuerbescheides auffallen müssen, der sodann im Einspruchsverfahren hätte geltend gemacht und problemlos geändert werden können.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Gerichtsbescheid v. 05.01.2021, 10 K 1662/20