OFD Niedersachsen, Verfügung v. 16.9.2011, S 7109 - 10 - St 172
Ergänzend zu Abschn. 3.3 Abs. 8 UStAE behandeln die nachfolgenden Sachverhalte bisher bekannt gewordene Fälle der Übertragung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstücks (Betriebsgrundstück) auf einen Angehörigen. Der Unternehmer soll in sämtlichen Sachverhalten bei Herstellung oder Erwerb des Betriebsgrundstücks zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sein. Es ist nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall aufgrund der jeweiligen Vereinbarungen eine andere Beurteilung geboten ist.
Sachverhalt 1
Ein Unternehmer überträgt seiner Tochter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich ein Betriebsgrundstück. Aufgrund eines mit der Tochter geschlossenen Pachtvertrages verwendet der Unternehmer das Grundstück weiterhin für Zwecke seines Unternehmens.
Rechtliche Beurteilung beim Unternehmer
Der Unternehmer entnimmt das Grundstück aus seinem Unternehmen. Mit der Übertragung auf die Tochter endet die rechtliche Bindung des Grundstücks an den Unternehmer, so dass auch die Zuordnung des Grundstücks zu seinem unternehmerischen Bereich endet. An dieser Beurteilung ändert nichts, dass der Unternehmer das Grundstück weiterhin für Zwecke des Unternehmens verwendet. Denn diese Verwendung beruht nicht mehr auf der Zuordnungsentscheidung des Unternehmers, sondern auf der Entscheidung der Tochter, ihrem Vater das Grundstück zu verpachten, sowie auf der Entscheidung des Unternehmers, das Grundstück nunmehr im Rahmen eines schuldrechtlichen Nutzungsverhältnisses für sein Unternehmen zu verwenden. Die unentgeltliche Abgabe des Grundstücks erfolgt aus privaten Gründen und ist daher eine unentgeltliche Wertabgabe i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG. Der Umsatz ist steuerfrei (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG). Der Unternehmer kann nicht nach § 9 UStG auf die Steuerfreiheit verzichten, da er bei der Entnahme keine Lieferung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausführt (vgl. Abschn. 3.2 Abs. 2 Satz 4 und Abschn. 9.1 Abs. 2 Satz 3 UStAE). Damit haben sich die Verhältnisse geändert, die beim Erwerb des Grundstücks durch den Unternehmer für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, und der Vorsteuerabzug ist ggf. nach § 15a UStG zu berichtigen (Abschn. 15a.2 Abs. 6 Nr. 3 Buchst. a UStAE).
Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG liegt nicht vor, da die Tochter nicht das Unternehmen des Vaters fortführt, sondern eine neues (Vermietungs-)Unternehmen begründet.
Rechtliche Beurteilung bei der Tochter
Die Tochter erbringt mit der Verpachtung des Grundstücks eine steuerbare und nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreie sonstige Leistung. Auf die Steuerfreiheit kann sie unter den Voraussetzungen des § 9 UStG verzichten. Sie ist dann berechtigt, in den Pachtzinsabrechnungen Umsatzsteuer gesondert auszuweisen und ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen. Ggf. ist die Mindestbemessungsgrundlage anzusetzen (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG).
Sachverhalt 2
Ein Unternehmer überträgt seinem Sohn unentgeltlich ein Betriebsgrundstück und behält sich den Nießbrauch zur weiteren uneingeschränkten Verwendung des Grundstücks in seinem Unternehmen vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Unternehmer hat das Grundstück weder seinem Sohn geliefert noch aus seinem Unternehmen entnommen. Er hat lediglich das mit dem Nießbrauch belastete Eigentum übertragen und sich die Nutzungsmöglichkeit zurückbehalten, die ihm bisher aufgrund seines Eigentums zustand. Der Sohn erlangt an dem Grundstück keine Verfügungsmacht i.S. des § 3 Abs. 1 UStG. Die Einräumung des Nießbrauchvorbehalts stellt auch keine Gegenleistung für die Grundstücksübertragung dar. Denn der Unternehmer hat sich dieses Recht von vornherein vorbehalten. Eine unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme liegt nicht vor, weil die Verfügungsmacht beim Unternehmer verblieben ist (Abschn. 3.3 Abs. 5 UStAE). Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG kommt bei Bestellung des Vorbehaltsnießbrauchs nicht in Betracht.
Erst mit Beendigung des Vorbehaltsnießbrauchs liegt je nach Sachverhalt eine Lieferung, eine unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme oder eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vor. Bei einer (gleichgestellten) Lieferung ist der Vorsteuerabzug des Unternehmers ggf. zu berichtigen.
Sachverhalt 3
Ein Unternehmer bestellt seiner Tochter an einem Betriebsgrundstück einen lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch. Von diesem Zeitpunkt an führt die Tochter den Betrieb und wird Unternehmerin.
Rechtliche Beurteilung
Liegt eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vor (vgl. Umsatzsteuer-Kartei S 7100b Karte 1 zu § 1 Abs. 1a UStG sowie Niederschrift zur USt-Fachtagung 2011), hat die Bestellung des Nießbrauchs keine umsatzsteuerlichen Folgen.
Liegt keine Geschäftsveräußerung vor, hat der Unternehmer das Grundstück aus seinem Unternehmen entnommen (BFH-Urteil vom 16.9.1987, BStBl 1988 II S. 205). Durch die Bestellung des unentgeltlichen unbefristeten Nießbrauchs bringt er zum Ausdruck, da...