Leitsatz
Die Befreiung eines Angestellten der Finanzverwaltung von der Steuerberaterprüfung setzt voraus, dass er ein Arbeitsgebiet im Finanzamt eigenverantwortlich bearbeitet hat. Dies ist der Fall, sobald er über das Zeichnungsrecht eines Sachbearbeiters verfügt. Vorherige probeweise Tätigkeiten als Sachbearbeiter sind irrelevant.
Sachverhalt
Strittig ist, welche Dienstzeiten eines Angestellten der Finanzverwaltung auf die für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung nach § 38 Abs. 1 Nr. 4 StBerG erforderliche 15-jährige Tätigkeit im Steuerwesen anrechenbar sind. Der Betreffende war ab 21.12.1993 probeweise bis 13.6.1997 Veranlagungssachbearbeiter. Ab 26.1.1996 wurde ihm die Zeichnungsbefugnis als Sachbearbeiter verliehen. Nach bestandener Prüfung war er vom 14.6.1997 bis 3.8.1997 als Sachbearbeiter, danach bis Juni 2007 als Betriebsprüfer tätig. Der Angestellte sah die Tätigkeit vom 21.12.1993 bis Juni 2007 als anrechenbar an, die Finanzverwaltung dagegen erst ab dem 14.7.1997.
Entscheidung
Die Klage ist nur zum Teil begründet. Vom 21.12.1993 bis 25.1.1996 lag keine anrechenbare Tätigkeit vor, weil der Angestellte in diesem Zeitraum nicht in dem Maß selbstständig und eigenverantwortlich tätig war, wie es die Sachbearbeiterposition erfordert. Mangels Zeichnungsrecht hatte er nicht die alleinige Verantwortung für seine Tätigkeit; vielmehr war regelmäßig noch eine Schlusszeichnung erforderlich, woraus der begrenzte Umfang der eigenverantwortlichen Tätigkeit deutlich wird. Daran ändert auch die vorherige probeweise Übertragung von Sachbearbeiteraufgaben nichts, da eine solche Übertragung zu Ausbildungszwecken oder aus Personalgründen erforderlich werden kann, ohne dass damit eine qualifizierte, eigenverantwortliche Tätigkeit einhergeht.
Ab der Übertragung der Zeichnungsbefugnis zum 26.1.1996 lag eine qualifizierte Tätigkeit nach § 38 Abs. 1 Nr. 4 StBerG wegen der damit verbundenen Verantwortung vor. Dass der Angestellte darüber hinaus bis 13.6.1997 nur probeweise tätig war, ganztägige Sachbearbeiterschulungen besuchte und die erforderlichen Klausuren absolvierte, ändert an dieser Beurteilung nichts. Die praktische Tätigkeit hat höheres Gewicht als der formalisierte Abschluss durch die erfolgreiche Teilnahme an schriftlichen Prüfungen.
Hinweis
Der BFH hat entschieden, dass das Gesetz nicht auf das Zeichnungsrecht abstellt, sondern es auf das Maß der Selbstständigkeit und der Verantwortlichkeit ankommt (BFH, Urteil v. 28.6.1966, VII 88/65, BStBl 1966 III S. 524). Nach Auffassung des FG hängen jedoch Selbstständigkeit und Verantwortung vom Zeichnungsrecht ab, so dass insoweit ein Zirkelschluss vorliegt. Es bleibt daher abzuwarten, ob es zu dem vom FG zugelassenen Revisionsverfahren kommen und wie sich der BFH äußern wird.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.06.2008, 12 K 12217/07