Dr. Hans Flick, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Allgemeiner Teil
Durch die Unternehmensteuerreform 2008 ist ein neuer Absatz 3 in § 1 des Außensteuergesetzes (AStG) eingefügt worden, der gesetzliche Bestimmungen enthält, die den international anerkannten und in Deutschland geltenden Fremdvergleichsgrundsatz präzisieren. Der Inhalt des Fremdvergleichsgrundsatzes wird vor allem durch die OECD in ihren Verrechnungspreisleitlinien 1995 beschrieben. Den Steuerpflichtigen und der Verwaltung sollen durch die Gesetzesänderung klare Regeln und Handlungsanweisungen vorgegeben werden, die sich an international üblichen Maßstäben ausrichten und im internationalen Vergleich für Deutschland wettbewerbsneutral sind. Diese Regeln helfen, Streitigkeiten über den steuerlich maßgeblichen Verrechnungspreis, insbesondere internationale Besteuerungskonflikte mit anderen Staaten, zu vermeiden. Dadurch soll auch ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit erreicht und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gewährleistet werden. Wenn sich die Steuerpflichtigen an die gesetzlichen Vorgaben halten und ihre Einkünfte in den beteiligten Staaten in gleicher Weise erklären, werden die Ergebnisse international auf Akzeptanz stoßen, weil sie dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen.
§ 1 Abs. 2 Satz 13 AStG enthält die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Ziel der Rechtsverordnung ist es, zu einer einheitlichen Rechtsanwendung durch Steuerpflichtige und Finanzbehörden beizutragen.
Die Rechtsverordnungsermächtigung wird zunächst nur für Fälle von Funktionsverlagerungen und Funktionsverdoppelungen ausgeschöpft, um für Rechtssicherheit und Klarheit in diesem Bereich zu sorgen. Durch die Rechtsverordnung soll sichergestellt werden, dass von Steuerpflichtigen und Verwaltung wettbewerbsneutrale und im internationalen Kontext akzeptable Lösungen gefunden werden, die sich zu diesem Zweck an den Aussagen in den OECD-Verrechnungspreisleitlinien 1995 orientieren, ohne auf Besteuerungsrechte Deutschlands zu verzichten. Insofern entsprechen die Regelungen der Zielsetzung der Unternehmensteuerreform 2008, die einerseits die Steuersätze für Unternehmen senkt, aber andererseits deutsche Besteuerungsmöglichkeiten sichern soll.
Zu einem späteren Zeitpunkt soll die Ermächtigung des § 1 Abs. 2 Satz 13 AStG in vollem Umfang genutzt werden, um im Bereich der internationalen Verrechnungspreise zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung beizutragen und ein größeres Maß an Rechtssicherheit zu schaffen.
Besonderer Teil
Zu § 1
Zu Absatz 1
Absatz 1 enthält eine allgemeine und umfassende Definition des Begriffs "Funktion", der Ausgangspunkt für die Besteuerung von Funktionsverlagerungen ist.
Zu Absatz 2
Satz 1
Die Definition des Begriffs "Funktionsverlagerung" in Satz 1 enthält als wichtige Regelungselemente die Begriffe des "verlagernden" bzw. des "übernehmenden" Unternehmens. Eine Funktionsverlagerung im eigentlichen Sinn liegt nur vor, wenn das verlagernde Unternehmen eine Funktion einstellt oder einschränkt.
Satz 2
Satz 2 stellt klar, dass eine Funktionsverlagerung auch dann vorliegt, wenn die Funktion eines Unternehmens nur teilweise oder nur für eine bestimmte Zeit auf ein anderes nahe stehendes Unternehmen übergeht. Eine teilweise Funktionsverlagerung liegt zB vor, wenn von einer Funktion, zB dem Vertrieb eines Unternehmens, ein Teilbereich, zB der Vertrieb einer bestimmten Produktgruppe, verlagert, dh. von dem anderen Unternehmen in eigener Verantwortung ausgeübt wird.
Satz 3
Da denkbar ist, dass sich die vollständige Durchführung einer Funktionsverlagerung über einen längeren Zeitraum erstreckt, ordnet Satz 3 eine mehrjährige Betrachtung an, um prüfen zu können, ob mehrere Geschäfte, die – einzeln betrachtet – im Sinne des Absatzes 3 nicht als Funktionsverlagerung anzusehen wären, in ihrem Zusammenspiel wirtschaftlich eine Funktionsverlagerung sind.
Zu Absatz 3
Satz 1
Satz 1 dient der Abgrenzung der Funktionsverlagerung von anderen Geschäftsvorfällen, die im Fremdvergleich nicht als Veräußerung oder Erwerb einer Funktion anzusehen sind, um eine zu weit gehende Erfassung von Geschäftsvorfällen als "Funktionsverlagerungen" zu vermeiden. Dies gilt für die Veräußerung oder Überlassung von Wirtschaftsgütern jeder Art oder für Dienstleistungen, es sei denn, solche Geschäftsvorfälle sind wirtschaftlich Bestandteil einer Funktionsverlagerung im Sinne des Absatzes 2. Auch Vorgänge, die formal den Tatbestand einer Funktionsverlagerung erfüllen, aber tatsächlich lediglich entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz abgewickelt werden (zB fristgerechte Kündigung, Auslaufen einer Vertragsbeziehung) und deshalb von voneinander unabhängigen Dritten nicht als Funktionsverlagerung angesehen würden, werden aus dem Anwendungsbereich herausgenommen. Insofern wird auch auf den Regelungsgehalt des § 2 Abs. 6 hingewiesen.
Satz 2
Auch die Entsendung von Personal im Konzern im Sinne des BMF-Schreibens vom 9. November 2001, BStBl. I S. 796 wird als solche nach Satz 2 regelmäßig nicht als Funktionsverlagerung zu beste...