Angemessene Verrechnungspreise 2023 – neue Verwaltungsgrundsätze
Praxis-Hinweis: Komplexe Regeln des BMF mit OECD-Verrechnungspreisrichtlinien
Die Regelungen des Außensteuergesetzes (AStG) in § 1 bis 1a AStG geben nur einen groben Rahmen zur Verrechnungspreisbestimmung vor. Insbesondere ist dort nicht geregelt, welche Methode bei der Findung des im Einzelfall angemessenen Verrechnungspreises anzuwenden ist. Das BMF-Schreiben (BMF, Schreiben v. 6.6.2023 IV B 5 – S 1341/19/10017: 003) gibt hierbei einen recht guten Überblick, wie nach Ansicht der Finanzverwaltung zu verfahren ist.
Kritisch ist indes anzumerken, dass bereits das BMF-Schreiben rund 50 eng bedruckte Seiten umfasst. Angesichts der Komplexität des Themas ist dies indes noch als erforderlich anzusehen. Kaum noch handhabbar ist jedoch die OECD-Verrechnungspreisrichtlinie, die dem BMF-Schreiben als Anlage beigefügt ist und auf die immer wieder verwiesen wird. Die OECD-Richtlinie umfasst nämlich über 750 Seiten und ist wohl nur noch für Spezialisten ernsthaft umfassend nutzbar. Andere Bearbeiter müssen versuchen, die für sie passende Stelle zu finden.
Hintergrund:
Verrechnungspreise werden zwar ausschließlich aus steuerlichen Gründen vereinbart. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass international operierende Unternehmen Vereinbarungen zwischen den Konzerngesellschaften einsetzen, um Erträge von einem Land in ein anderes zu verlagern.
Ziel ist es dann, dass der höchste Gewinn in dem Land anfällt, in dem die Steuerbelastung am niedrigsten ist. Verständlicherweise sind solche Gestaltungen den Steuerverwaltungen weltweit ein Dorn im Auge. Auch die OECD ist hier sehr aktiv.
Die wichtigsten Regelungen des deutschen Rechts:
- Die zentrale gesetzliche Regelung zu Bestimmung angemessener Verrechnungspreise nach deutschem Recht ist in § 1 AStG zu finden.
- Seit einiger Zeit findet sich zudem eine Sonderbestimmung für Preisanpassungsklauseln in § 1a AStG.
- Die Dokumentationspflicht im Hinblick auf Verrechnungspreise ist in § 90 AO zu finden.
BMF-Schreiben:
Der wesentliche Inhalt des BMF-Schreibens lässt sich wie folgt zusammenfassen:
- Kapitel I stellt Grundsätze der Einkünftekorrektur dar. Ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Frage des Konkurrenzverhältnisses des § 1 AStG zu Einlagen, Entnahmen, verdeckten Gewinnausschüttungen sowie verdeckten Einlagen (Abschnitt I.A.). Beispiele erleichtern das Verständnis des Konkurrenzverhältnisses. Weitere Abschnitte befassen sich mit der Konkurrenz zur Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG (Abschnitt I.B.) und den für die Verrechnungspreisthematik zentralen Begriffen der nahestehenden Personen (I.C.) und der Geschäftsbeziehung (I.D.).
- Das kürzere Kapitel II setzt sich mit der Bedeutung der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien für die Prüfung der grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen auseinander. Diese sind insofern von erheblicher Bedeutung, da durch sie sichergestellt wird, dass die Umsetzung des Fremdvergleichsgrundsatzes einheitlich erfolgt. Für die Praxis vieler Unternehmen dürften die OECD-Richtlinien allerdings – wie erwähnt – wohl zu umfangreich sein.
- Zentrale Bedeutung kommt dem Kapitel III zu, das mit Leitlinien überschrieben ist. In den folgenden Abschnitten werden die wichtigsten Aspekte der Prüfung von Verrechnungspreisen näher erläutert.
- Abschnitt III. A befasst sich mit dem Fremdvergleichsgrundsatz. Dieser ist insofern wichtig, als die Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen danach zu beurteilen sind, ob unabhängige Dritte ebenso gehandelt hätten. Dieser Fremdvergleichsgrundsatz gilt sowohl in sog. Inboundfällen (Zahlungen nach Deutschland) als auch in den Outboundfällen (aus Deutschland hinaus). Um zu ermitteln, ob dem Fremdvergleichsgrundsatz genüge getan wurde, ist zunächst eine Funktions- und Risikoanalyse der Beteiligten vorzunehmen. Diese steht am Beginn der Prüfung.
- Abschnitt III. B. stellt die Verrechnungspreismethoden und Bewertungstechniken in den Mittelpunkt. Dabei gibt es anders als früher keine bevorzugten Methoden der deutschen Finanzverwaltung mehr, sondern vielmehr kommt grundsätzlich jede Methode in Betracht, wenn sie zu einem zutreffenden Ergebnis führt. Die fünf wichtigsten Methoden, die aber nicht abschließend sind, sind die Preisvergleichsmethode, die Wiederverkaufsmethode, die Kostenaufschlagsmethode, die Nettomargenmethode und die Gewinnaufteilungsmethode.
- Abschnitt III. C. betrifft Einzelheiten der Vergleichbarkeitsanalyse. Bekanntlich können nur Dinge verglichen werden, wenn sie im Wesentlichen vergleichbar sind. Dies betrifft insbesondere die vertraglichen Bedingungen und das wirtschaftliche und rechtliche Umfeld der Geschäftsvorfälle. Eingegangen wird auch auf Fragen wie die Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen, der Vorteilsausgleich, Bandbreitenbetrachtungen, die Berücksichtigung von Verlusten sowie der Zeitpunkt des Fremdvergleichs.
- Die nächsten kürzeren Abschnitte III. D und E. verweisen im Wesentlichen auf andere Verwaltungsverlautbarungen im Hinblick auf Verständigungs- und Schiedsverfahren sowie die Dokumentation von Verrechnungspreisen.
- Eine besondere Bedeutung im Bereich der Verrechnungspreisthematik kommt immateriellen Werten zu. Dies sind insbesondere Marken- und Lizenzrechte. International operierende Unternehmen verschieben nicht zuletzt über solche immateriellen Werte Erträge, indem die Lizenzzahlungen aus einem Land hinaus in ein anderes fließen. Dementsprechend umfangreich ist der Abschnitt III. F. ausgefallen, der sich mit immateriellen Werten auseinandersetzt. Ohne auf Einzelheiten der komplexen Thematik an dieser Stelle eingehen zu können, ist letztlich auch hier von Bedeutung, ob die Zahlungen im Einzelfall unter Berücksichtigung der Funktion und Risiken bei den beteiligten Rechtsträgern angemessen sind.
- Der nachfolgende Abschnitt III. G betrifft Warenlieferungen und Dienstleistungen. Diese sind zumeist besser greifbar als immaterielle Werte, weisen aber ebenfalls Besonderheiten auf, die näher angesprochen werden. Hierbei gibt es einen besonderen Abschnitt für den in der Praxis bedeutsamen Fall der Konzernumlagen. Diese sind nach allgemeinen Grundsätzen zu prüfen, so dass sie ebenfalls fremdüblich sein müssen. Für die Arbeitnehmerentsendung wird auf gesondertes BMF-Schreiben vom 9.11.2001 verwiesen (BStBl. I 2001, S. 796), welches nach wie vor anzuwenden ist.
- Abschnitt III. H. betrifft Kostenumlagen. Hierzu wird in verschiedenen Punkten auf die OECD-Richtlinien verwiesen.
- Ein eigener Abschnitt III. I ist der Funktionsverlagerung gewidmet. Bei dieser werden, ohne auf Einzelheiten einzugehen, ganze Funktionen eines Unternehmens ins Ausland verlagert. § 1 Abs. 3b AStG und die FunktionsverlagerungsVO bilden hierbei den rechtlichen Hintergrund. Verschiedene Beispiele helfen die komplexe Rechtslage zu durchdringen. In der praktischen Anwendung sind die Bestimmungen gleichwohl komplex.
- Für die Praxis regelmäßig wichtiger sind die Ausführungen in Abschnitt III. J., da sich diese mit Finanzierungsbeziehungen auseinandersetzen. Darlehen und ähnliche Gestaltungen sind regelmäßig in Konzernen anzutreffen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist hierbei stets die Prüfung, ob steuerlich überhaupt von Fremdkapital auszugehen ist. Darlehensverhältnisse müssen dann ebenfalls fremdüblich ausgestaltet sein, dies betrifft insbesondere die Zinsen. Das BMF-Schreiben benennt einige Aspekte, die im Rahmen der Prüfung der Fremdüblichkeit zu berücksichtigen sind.
- Ebenfalls Finanzierungscharakter weist das Cash-Pooling auf. Da hierbei aber einige Besonderheiten zu beachten sind, gibt es hierzu in III. K einen gesonderten Abschnitt.
- Der kurze Abschnitt III. L betrifft die Anwendung des § 1a AStG zu Preisanpassungsklauseln.
- Kapital IV umfasst weitere zu berücksichtigende Grundsätze sowie die Berücksichtigung von Zöllen.
- Kapitel V verweist allein auf das Glossar der OECD-Richtlinien.
- Kapitel VI regelt die Aufhebung alter BMF-Schreiben vom 14.12.2014 und 14.7.2021. Das neue BMF-Schreiben ist mit Ausnahme der Ausführungen zur Funktionsverlagerung auf alle offenen Fälle anzuwenden.
- Die als Anlage beigefügten OECD-Richtlinien wurden bereits erwähnt.
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