Dr. Hans Flick, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Der deutschen ESt entsprechende ausländische Quellensteuer kann nach den Regeln des § 34 c EStG wahlweise auf die deutsche ESt angerechnet (Abs. 1) oder bei Ermittlung der Einkünfte als Betriebsausgabe/Werbungskosten abgezogen werden (Abs. 2). Das Wahlrecht muss für die gesamten Einkünfte und Steuern aus demselben Staat für jedes Veranlagungsjahr einheitlich ausgeübt werden (R 212 c Satz 1 EStR 1993). Der Abzug der ausländischen Quellensteuer bei der Ermittlung der Einkünfte kann gegenüber der Anrechnung vorteilhaft sein, wenn die ausländische Steuer die deutsche ESt übersteigt, wenn die ausländischen Einkünfte im Verhältnis zur Quellensteuer gering sind oder wenn Verluste erwirtschaftet werden.
Hinsichtlich der in einigen Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehenen Anrechnung fiktiver, dh. als bezahlt geltender, Quellensteuer ist das Wahlrecht allerdings durch das StMBG v. 21.12.1993 dergestalt beseitigt worden, dass der Abzug als Betriebsausgabe/Werbungskosten nicht mehr in Betracht kommt.
Die Neuregelung ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 1996 anzuwenden, wenn das den Einkünften zugrundeliegende Rechtsgeschäft vor dem 11.11.1993 abgeschlossen worden ist (§ 52 Abs. 25 a EStG), im Übrigen ab 1994.
Infolge des grundsätzlich unverändert weitergeltenden Erfordernisses der einheitlichen Wahlrechtsausübung für die gesamten Einkünfte und Steuern aus demselben Staat kann es in den Fällen, in denen im Veranlagungsjahr aus ein und demselben Staat Einkünfte aus Geschäften erzielt werden, die sowohl vor dem 11.11.1993 ("Altgeschäfte") als auch nach dem 10.11.1993 ("Neugeschäfte") abgeschlossen worden sind, zu unbilligen steuerlichen Folgen kommen.
Beispiel:
Aus dem ausländischen Staat A werden Zinseinnahmen iH von 100.000 DM erzielt.
Hiervon entfallen 60.000 DM auf Kreditgeschäfte mit Vertragsabschluss vor dem 11.11.1993 ("Altgeschäfte") und 40.000 DM auf Kreditgeschäfte mit Vertragsabschluss nach dem 10.11.1993 ("Neugeschäfte"). Mit dem Staat A besteht ein DBA, das die Anrechnung einer fiktiven Quellensteuer iH von 10 % der Zinseinnahmen bei der inländischen Einkommensbesteuerung zulässt.
Wird für die "Altgeschäfte" – weil günstiger – der Abzug der fiktiven Quellensteuer bei der Ermittlung der Einkünfte gewählt, würde für die "Neugeschäfte", bei denen der Abzug der fiktiven Quellensteuer aufgrund der Gesetzesänderung nicht (mehr) in Betracht kommt, die Anrechnung auf die deutsche ESt an der zwingenden Einheitlichkeit der Wahlrechtsausübung scheitern.
In Fällen der vorliegenden Art ist es deshalb nach einem Beschluss der Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder zur Vermeidung eines unbilligen steuerlichen Ergebnisses zulässig, dass die fiktive Quellensteuer auf Einkünfte aus "Neugeschäften" auch dann auf die deutsche ESt angerechnet werden darf, wenn hinsichtlich der anderen Einkünfte aus demselben Staat der Abzug einer tatsächlich gezahlten oder einer fiktiven ausländischen Steuer nach § 34 c Abs. 2 EStG beantragt wird. Denn dadurch, dass bei Einkünften aus "Neugeschäften" nur (noch) die Anrechnung fiktiver Steuern in Betracht kommt, weil der Abzug bei Ermittlung der Einkünfte gesetzlich nicht mehr zulässig ist, wird das – einheitlich auszuübende – Antragsrecht auf Abzug der ausländischen Steuern auf andere Einkünfte (einschließlich der fiktiven Steuern auf Einkünfte aus "Altgeschäften") aus demselben Staat nicht ausgeschlossen.
Die "Anleitung zur Anlage AUS" 1994 enthält – zu Zeilen 9, 10 und 15, 16 am Ende – einen entsprechenden Hinweis.