Prof. Dr. rer. pol. Hanno Kirsch
Rz. 247c
Im Zuge der Novellierung des Handelsrechts durch das BilRUG wurde die vormals im Lagebericht verortete sog. Nachtragsberichterstattung (vgl. § 289 Abs. 2 Nr. 1 HGB a. F.) in den Anhang verlagert. Grundlage hierfür bildet die Umsetzung von Art. 17 Abs. 1 Buchstabe q der Richtlinie 2013/34/EU. Ebenso – wie bislang bei der Nachtragsberichterstattung im Lagebericht – sind von § 285 Nr. 33 HGB nur mittelgroße und große Kapitalgesellschaften (einschließlich mittelgroße und große Kapitalgesellschaften & Co.) betroffen; kleine Kapitalgesellschaften (einschließlich kleine Kapitalgesellschaften & Co.) sind gem. § 288 Abs. 1 Nr. 1 HGB von dieser Angabepflicht befreit.
Rz. 247d
Unter "Vorgänge von besonderer Bedeutung" sind solche Ereignisse zu verstehen, die im Hinblick auf die dauernde Existenzfähigkeit des Unternehmens und seiner Zukunftsaussichten von erheblicher Bedeutung sein können. Dazu gehören Änderungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen für die Geschäftstätigkeit, wesentliche Veränderungen der Kapitalausstattung, der Beteiligungsverhältnisse, der Marktverhältnisse, wichtige Verträge, der Ausgang wichtiger Prozesse, nicht erwartete Forderungsausfälle, größere neue Schadensersatzansprüche, drohende oder eingetretene Verluste, die am Abschlussstichtag noch nicht eingetreten waren, erhebliche Belegschaftsreduzierungen u. Ä. Die Berichtspflicht umfasst nicht nur negative, sondern auch wichtige positive Ereignisse.
Für die zum 31.12.2021 endenden Geschäftsjahre war häufig zu prüfen, ob es sich bei den zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung (absehbaren) wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs um ebenso einen "Vorgang von besonderer Bedeutung" handelte.
Rz. 247e
Der Zeitraum, den der Nachtragsbericht abzudecken hat, erstreckt sich nach h. M. vom Beginn des neuen Geschäftsjahres bis zum Zeitpunkt der Berichtserstellung; nach anderer Auffassung besteht eine Aktualisierungspflicht bis zum Feststellungszeitpunkt des Jahresabschlusses. Vor allem bei wesentlichen Verlusten, über die bisher nicht berichtet wurde, muss der Bericht noch bis zum Gewinnverteilungsbeschluss bzw. bis zur Ergebnisverwendung geändert, d. h. in hinreichender Weise, z. B. durch ein Einlageblatt, ergänzt werden.
Rz. 247f
In Erweiterung gegenüber § 289 Abs. 2 Nr. 1 HGB a. F. sind in der Anhangberichterstattung nach § 285 Nr. 33 HGB die Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach dem Schluss des Geschäftsjahrs eingetreten und weder in der GuV-Rechnung noch in der Bilanz berücksichtigt sind, unter Angabe ihrer Art und ihrer finanziellen Auswirkungen anzugeben. Eine Beschränkung nur auf die finanziellen Auswirkungen ist jedoch vor dem Hintergrund der englischen Fassung der EU-Bilanzrichtlinie, die von "financial position" spricht, nicht sprachlich herleitbar und dürfte auch nicht dem Interesse bzw. der Erwartungshaltung der Abschlussadressaten entsprechen.