Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Literatur: Weidmann/Kohlhepp, DB 2011, 497; Krüsmann, DStZ 2020, 880.
Wendet eine gemeinnützige Körperschaft ihrem Gesellschafter Mittel zu, die eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen, stellt dies einen Verstoß gegen das Erfordernis der Selbstlosigkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1-2 AO und gegen den Grundsatz, dass die tatsächliche Geschäftsführung nach § 63 AO auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein muss, dar. Handelt es sich um schwerwiegende Verstöße, kann dies zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen, und zwar nach § 61 Abs. 3 AO auch rückwirkend für 10 Jahre.
Schädliche Mittelverwendung kann auch die Zahlung überhöhter Geschäftsführergehälter sein. Für die Frage, ob die Geschäftsführergehälter angemessen oder überhöht sind, sind die Regeln über die Angemessenheit von Gehältern für Gesellschafter-Geschäftsführer bei Feststellung einer verdeckten Gewinnausschüttung heranzuziehen. Besonderheiten aus dem Recht der Gemeinnützigkeit ergeben sich insoweit nicht.
Da die Versagung der Gemeinnützigkeit eine erhebliche Belastung für die Körperschaft darstellt, unterliegt sie dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip. Daher darf die Versagung der Gemeinnützigkeit nicht auf kleinere, einmalige Verstöße gestützt werden. Ob dies bei einer schädlichen Mittelverwendung der Fall ist, richtet sich nach der absoluten Höhe des Betrags und seinem Verhältnis zur Gesamttätigkeit der Körperschaft. Eine schädliche Mittelverwendung von 3.000 EUR hat der BFH noch als geringfügig angesehen, eine solche von mehr als 25.000 EUR dagegen als schädlich.
Die Körperschaft verstößt nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 AO gegen das Gebot der Selbstlosigkeit und handelt daher gemeinnützigkeitsschädlich, wenn sie ihren Mitgliedern oder Gesellschaftern Gewinnanteile zuwendet. Unter solche Gewinnanteile fallen auch verdeckte Gewinnausschüttungen. Zusätzlich dürfen nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO auch andere Personen, die nicht Gesellschafter oder Mitglieder sind, nicht durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen berücksichtigt werden. Beide Tatbestände können vorliegen, wenn der Geschäftsführer, aber auch andere Arbeitnehmer, durch unverhältnismäßig hohe Gesamtvergütungen begünstigt wird. Ob dies der Fall ist, richtet sich sowohl bei Gesellschaftern bzw. Mitgliedern als auch bei Fremdgeschäftsführern nach den Grundsätzen der verdeckten Gewinnausschüttung. Der Begriff "unverhältnismäßig" entspricht dem Begriff "unangemessen". Ob eine Geschäftsführervergütung "unverhältnismäßig" ist, beurteilt sich sowohl bei Gesellschafter-Geschäftsführern als auch bei Fremdgeschäftsführern nach den Grundsätzen des materiellen Fremdvergleichs, und zwar sowohl in der Form des internen als auch des externen Fremdvergleichs. Für gemeinnützige Unternehmen gelten keine Besonderheiten, da sie bei der Anwerbung von Geschäftsführern und anderen Arbeitnehmern in Konkurrenz zu gewerblichen Unternehmen stehen. Verstöße gegen die Grundsätze eines angemessenen Gehalts, angemessener Pensionszusagen und angemessener Tantiemezahlungen können daher zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen, und zwar auch bei Begünstigung von Fremdgeschäftsführern.
Der BFH a. a. O. hat nicht entschieden, ob auch der Verstoß gegen das Erfordernis einer vorherigen, klaren und eindeutigen Vereinbarung bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern anwendbar ist (formeller Fremdvergleich). Da der BFH a. a. O. aber auf den Fremdvergleich abstellt, ist zu erwarten, dass er auch die Grundsätze des formellen Fremdvergleichs heranziehen wird.