Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
20 Führt die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes entsprechend § 1 Absatz 5 AStG zu weitergehenden Berichtigungen als andere Einkünfteermittlungs- oder Korrekturvorschriften (z.B. § 4 Absatz 1 Satz 3 und 4 EStG oder § 12 Absatz 1 KStG in Entstrickungssachverhalten; § 4 Absatz 1 Satz 8 Halbsatz 2 EStG in Verstrickungssachverhalten; § 49 i.V.m. § 50 Absatz 1 EStG hinsichtlich der Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs), ist § 1 Absatz 5 AStG neben den Rechtsfolgen der anderen Vorschriften anzuwenden. Einkünftekorrekturen nach § 1 AStG sind nur zugunsten des deutschen Steueraufkommens durchzuführen (s. § 1 Absatz 1 Satz 1 und 4 AStG). Dies gilt auch in Fällen, in denen kein DBA anzuwenden ist. Auch soweit die Entstrickungs-/Verstrickungsvorschriften anwendbar sind, liegt gleichzeitig eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung nach § 16 BsGaV vor (s. auch Rn. 62 zum Verhältnis der Hilfs- und Nebenrechnung nach § 3 BsGaV zur Bilanz).
Fall (1) – Überführung eines Wirtschaftsguts ins Ausland (Entstrickung):
Die inländische X-GmbH (X) hat eine ausländische Betriebsstätte A (A) im Staat A (kein DBA). Ein Wirtschaftsgut, das bisher dem übrigen Unternehmen (hier: der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte X) zugeordnet war, wird auf Dauer zu A verbracht. Der Buchwert des Wirtschaftsguts beträgt 1 000, der gemeine Wert/Fremdvergleichspreis beträgt 1 200.
Lösung:
Nach innerstaatlichem Recht, das gem. § 1 Absatz 5 Satz 1 i.V.m. Absatz 1 Satz 1 AStG vorrangig anzuwenden ist, liegt gem. § 12 Absatz 1 KStG ein Vorgang vor, der einer Veräußerung gleich steht (Entstrickung), die mit dem gemeinen Wert anzusetzen ist. Der fiktive Veräußerungsgewinn beträgt 200 (= 1 200 – 1 000). Gleichzeitig kommt es in der Steuerbilanz zu einer Aufstockung des Buchwerts auf den gemeinen Wert um 200. Eine Berichtigung nach § 1 Absatz 5 AStG erfolgt nicht, da diese keine weitergehenden Folgen hätte. Daneben liegt eine fiktive Veräußerung des übrigen Unternehmens an A vor (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 BsGaV), die für A als fiktiver Anschaffungsvorgang mit 1 200 zu erfassen ist.
Abwandlung zu Fall (1) – Nutzungsüberlassung I (vom Inland ins Ausland):
Wie Fall (1), jedoch wird das Wirtschaftsgut nur vorübergehend von A genutzt. Wegen der Nutzung werden A 100 belastet. Dies entspricht den tatsächlichen Kosten ("Selbstkosten"). Der gemeine Wert/Fremdvergleichspreis für die Nutzungsüberlassung beträgt 110.
Lösung:
Die vorübergehende Nutzung führt zu keiner Zuordnungsänderung, weder nach § 5 BsGaV (s. Fall Rn. 78) noch nach § 4 Absatz 1 Satz 3 und 4 EStG (keine Entstrickung des Wirtschaftsguts), so dass das Wirtschaftsgut dem übrigen Unternehmen zugeordnet bleibt. Nach R 4.3 Absatz 2 Satz 3 EStR gilt als Entnahme i.S.d. § 4 Absatz 1 Satz 3 EStG auch die Nutzung eines Wirtschaftsguts durch eine ausländische Betriebsstätte (Entnahme der Nutzung). Diese Nutzungsüberlassung ist mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Das Ergebnis des übrigen Unternehmens ist daher um 10 (gemeiner Wert 110, bisheriger Ansatz 100) zu erhöhen, das Ergebnis von A ist entsprechend zu mindern, so dass der Gewinn von X insgesamt unverändert bleibt.
Fall (2) – Nutzungsüberlassung II (vom Ausland ins Inland):
Das ausländische Unternehmen Y (Y) im Staat Y hat im Inland eine Betriebsstätte D (D). Ein dem übrigen Unternehmen (hier: der ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte Y) zuzuordnendes Wirtschaftsgut wird D vorübergehend zur Nutzung überlassen. Dafür werden D 100 belastet. Die tatsächlichen Kosten von Y betragen 100, der Fremdvergleichspreis für eine vergleichbare Nutzungsüberlassung beträgt 90.
Lösung:
Die vorübergehende Nutzung führt zu keiner Zuordnungsänderung nach § 5 BsGaV (s. Fall Rn. 78), so dass das Wirtschaftsgut dem übrigen Unternehmen zugeordnet bleibt. Das ausländische Unternehmen ist mit seinen durch D erzielten Einkünften beschränkt steuerpflichtig. Zur Ermittlung des Gewinns von D nach § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a EStG ist nach § 4 Absatz 4 EStG von den tatsächlichen Kosten i.H.v. 100 auszugehen. Nach § 1 Absatz 5 AStG ist wegen der fiktiven Nutzungsüberlassung höchstens der Fremdvergleichspreis von 90 als fiktive Betriebsausgabe für D anzusetzen, sodass die Einkünfte von D um 10 zu erhöhen sind (tatsächliche Kosten 100 – Fremdvergleichspreis 90).
Fall (3) – Dienstleistung:
Das ausländische Unternehmen Y (Y) im Staat Y hat im Inland eine Betriebsstätte D (D). Personal von D erstellt für Y die Buchhaltung. D sind für die Erstellung der Buchhaltung Kosten von 200 entstanden. D verrechnet 200. Der Fremdvergleichspreis für eine vergleichbare Dienstleistung beträgt 220 (Kosten 200 zzgl. eines fremdvergleichsüblichen Kostenaufschlags von 10 %).
Lösung:
Y ist beschränkt steuerpflichtig. Zur Ermittlung des inländischen Betriebsstättengewinns von D nach § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a EStG ist für die fiktive Dienstleistung (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV) nach § 16 Absatz 2 BsGaV der Fremdvergleichspreis von 220 als fiktive Betriebseinnahme anzusetzen. Der Gewi...