Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
171 Hätten voneinander unabhängige Dritte für eine Tätigkeit, die durch die Personalfunktion einer Betriebsstätte ausgeübt wird (fiktive Dienstleistung), oder für die Überlassung eines Vermögenswerts, der einer Betriebsstätte zugeordnet ist (fiktive Nutzungsüberlassung), eine schuldrechtliche Vereinbarung getroffen, so ist eine derartige Vereinbarung auch zwischen dem übrigen Unternehmen und der Betriebsstätte zu fingieren. Gleiches gilt auch für fiktive Dienstleistungen oder für fiktive Nutzungsüberlassungen des übrigen Unternehmens gegenüber einer Betriebsstätte. Hätte ein unabhängiger Dritter eine Rechtsposition, z.B. einen Schadensersatzanspruch oder einen Gewährleistungsanspruch, geltend gemacht (fiktive Geltendmachung von Rechtspositionen), so ist eine derartige Geltendmachung auch zwischen dem übrigen Unternehmen und der Betriebsstätte anzunehmen.
Fall (1) – Fiktive Dienstleistung:
Das Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). B übt unterstützende Personalfunktionen für Vermögenswerte aus, die dem übrigen Unternehmen (hier: der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A) zuzuordnen sind.
Lösung:
Voneinander unabhängige Dritte hätten für die Unterstützung einen Dienstvertrag vereinbart. Ein gleichartiger Vertrag ist zwischen B und dem übrigen Unternehmen zu fingieren (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV). Nach § 16 Absatz 2 BsGaV ist dafür ein Betrag zu verrechnen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.
Fall (2) – Fiktive Nutzungsüberlassung:
Das Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Ein materielles Wirtschaftsgut, das nach § 5 Absatz 2 BsGaV B zugeordnet ist, wird vorübergehend durch das übrige Unternehmen (hier: durch die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A) genutzt.
Lösung:
Voneinander unabhängige Dritte hätten für die Überlassung einen Mietvertrag abgeschlossen. Deshalb ist ein Mietvertrag zwischen B und dem übrigen Unternehmen zu fingieren (§ 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a BsGaV). Nach § 16 Absatz 2 BsGaV ist dafür ein Betrag zu verrechnen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.
Fall (3) – Gewährleistungsanspruch:
Das Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Produktionsbetriebsstätte B (B). B beliefert sowohl das übrige Unternehmen als auch unabhängige Dritte. Wegen Produktionsfehlern, die durch eigenes Personal von B verursacht werden, ist die gesamte Produktion mangelhaft. Ein unabhängiger Dritter macht gegenüber X einen berechtigten Gewährleistungsanspruch geltend. Durch die Belieferung des übrigen Unternehmens durch B ist auch ein entsprechender Schaden bei X entstanden.
Lösung:
Da der Gewährleistungsfall durch Fehler von B verursacht wurde, sind die entstehenden Kosten (Schadensersatz gegenüber dem unabhängigen Dritten) B zuzuordnen (§ 10 Absatz 1 BsGaV). Die entsprechende Schadensersatzforderung des übrigen Unternehmens gegenüber B ist zu fingieren (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b BsGaV). Die Höhe des Schadensersatzanspruchs richtet sich nach Zivilrecht.
Fall (4) – Schadensersatz:
Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Betriebsstätte B (B). Das übrige Unternehmen (hier die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat A) überlässt B ein materielles Wirtschaftsgut, das dem übrigen Unternehmen zugeordnet bleibt, zur vorübergehenden Nutzung. Die Nutzung durch B führt aufgrund einer Fehlbedienung durch eigenes Personal von B zu einer erheblichen Beschädigung des Wirtschaftsguts.
Lösung:
Ein unabhängiger Dritter würde als Eigentümer des Wirtschaftsguts gegenüber dem Verursacher des Schadens seine Rechtsposition geltend machen und Schadensersatz verlangen. Gleiches ist für das übrige Unternehmen zu fingieren (§ 16 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b BsGaV).