Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
174 Die Nutzung von finanziellen Mitteln des übrigen Unternehmens durch eine Betriebsstätte begründet im Regelfall keine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung (fiktives Darlehen). Die Zuordnung der entsprechenden Passivposten erfolgt nach den §§ 12 ff. BsGaV, insbesondere nach § 14 BsGaV. Die Spezialregelung des § 19 Absatz 6 BsGaV gilt nur für Bankbetriebsstätten.
Fall – Finanzielle Mittel für eine Anschaffung:
Eine Kapitalgesellschaft Y (Y) mit Sitz und Geschäftsleitung im Staat Y hat im Inland eine Produktionsbetriebsstätte D (D). Y ist zu 100 % mit Eigenkapital ausgestattet. D weist ein Dotationskapital aus, das nach der Kapitalaufteilungsmethode angemessen ist. Für die eigene Geschäftstätigkeit erwirbt D von E (fremder Dritter) eine Maschine. Für die Zahlung des Kaufpreises stehen D keine ausreichenden liquiden Mittel zur Verfügung. Deshalb überweist Y den erforderlichen Betrag auf das von D für ihre Geschäfte genutzte Bankkonto. Anschließend überweist D den Kaufpreis an E. Der interne Vorgang wird über ein Verrechnungskonto von D gebucht.
Lösung:
Der Zahlungsvorgang begründet nach § 16 Absatz 3 Satz 1 BsGaV keine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung zwischen Y und D (kein fiktives Darlehen). Eine Verrechnung fiktiver Zinsen kommt nicht in Betracht. Ggf. ist das Dotationskapital von D nach dem Erwerb der Maschine nach § 12 Absatz 6 BsGaV anzupassen.
HINWEIS:
Gleiches gilt, wenn D Finanzmittel an Y überlässt. § 16 Absatz 3 Satz 1 BsGaV ist insoweit analog anzuwenden.
175 Eine anzunehmende schuldrechtliche Finanzierungsbeziehung ist nach § 16 Absatz 3 Satz 2 und 3 BsGaV nur anzunehmen, wenn
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die Betriebsstätte eine Finanzierungsfunktion innerhalb des Unternehmens ausübt (s. Sonderregelung des § 17 BsGaV), die im Regelfall als fiktive Dienstleistung anzusehen ist, oder |
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aufgrund der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte im laufenden Wirtschaftsjahr finanzielle Mittel der Betriebsstätte entstehen, die nachweislich für bestimmte Zwecke im übrigen Unternehmen genutzt werden. In diesen Fällen ist nach § 16 Absatz 3 Satz 3 BsGaV von einer fiktiven kurzfristigen Darlehensbeziehung auszugehen. |
176 Eine solche fiktive kurzfristige Darlehensbeziehung endet spätestens
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mit dem Ende des laufenden Wirtschaftsjahrs oder |
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zu dem Zeitpunkt, zu dem das Dotationskapital der Betriebsstätte nach § 12 Absatz 6 oder § 13 Absatz 5 BsGaV anzupassen ist. Auf die Sonderregelung des § 19 Absatz 6 BsGaV für Bankbetriebsstätten wird hingewiesen. |
Fall – Liquiditätsüberschuss:
Unternehmen X (X) in Staat A hat in Staat B eine Vertriebsbetriebsstätte B (B). Durch die Veräußerung von Anlagevermögen, das B zuzuordnen ist, erwirtschaftet B Anfang des Wirtschaftsjahrs einen hohen Liquiditätsüberschuss. Diesen Liquiditätsüberschuss stellt B dem übrigen Unternehmen (hier der Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Staat A) zur Verfügung, die damit neue Maschinen für die eigene Geschäftstätigkeit kauft.
Lösung:
§ 16 Absatz 3 Satz 1 BsGaV untersagt grundsätzlich anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen für die Nutzung liquider Mittel, die im Unternehmen vorhanden sind. Wird nachgewiesen, dass die finanziellen Mittel in B entstanden sind und von X für die Anschaffung neuer Maschinen für das übrige Unternehmen genutzt wurden, und wird glaubhaft gemacht, dass voneinander unabhängige Dritte für die Überlassung des Liquiditätsüberschusses einen Darlehensvertrag vereinbart hätten, so ist nach § 16 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a und § 16 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 BsGaV ein gleichartiger Vertrag zwischen B und dem übrigen Unternehmen anzunehmen. Nach § 16 Absatz 2 BsGaV ist dafür ein Betrag, der dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, zu verrechnen. Das fiktive Darlehensverhältnis endet mit der Neubestimmung des Dotationskapitals, spätestens mit dem Ende des Wirtschaftsjahrs (§ 16 Absatz 3 Satz 3 BsGaV). Daher ist der dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende Zinssatz aus kurzfristigen Darlehensverhältnissen zwischen Parteien gleicher Bonität abzuleiten.
177 In Betriebsstättensachverhalten ist – anders als bei selbständigen verbundenen Unternehmen – zivilrechtlich keine Trennung von Kapital und Risiko denkbar, die z.B. ein externer Darlehensgeber berücksichtigen würde (s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 33 und Tz. 99 ff.). Daher können Bürgschaften, Garantien und ähnliche Rechtsverhältnisse zwischen Betriebsstätte und übrigem Unternehmen nicht fingiert werden. Dies betrifft sowohl den Fall der Risikoübernahme des übrigen Unternehmens für Ansprüche der Betriebsstätte gegenüber externen Anspruchsberechtigten (interne Garantie) als auch den Fall der Risikoübernahme des übrigen Unternehmens für Ansprüche Externer gegen die Betriebsstätte (externe Garantie). Eine steuerliche Anerkennung derartiger Garantien widerspräche § 10 Absatz 1 BsGaV, denn die Trennung von Vermögenswerten i.S.d. §§ 5 ff. BsGaV und den damit verbundenen Risiken würde ermöglicht.