Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
2.24.1 Grundsatz: Zuordnung von Vermögenswerten, die durch den Abschluss eines Versicherungsvertrags entstehen (§ 24 Absatz 1 BsGaV)
283 Die Terminologie für Versicherungsbetriebsstätten weicht von der allgemeinen Terminologie in § 2 Absatz 4 BsGaV ("maßgebliche Personalfunktionen" – OECD: "Significant People Functions") ab. Die Personalfunktionen, die für die Zuordnung von Vermögenswerten, die durch den Abschluss eines Versicherungsvertrags entstehen, entscheidend sind, werden im Zusammenhang mit Versicherungsbetriebsstätten als unternehmerische Risikoübernahmefunktion (OECD: "KERT Function", s. auch Rn. 197) bezeichnet. Die Zuordnung eines Vermögenswerts im Versicherungsbereich erfordert die Zuordnung sämtlicher, mit dem Vermögenswert zusammenhängender Chancen und Risiken, d.h. sowohl der Chancen und Risiken des Vermögenswerts selbst als auch der Chancen und Risiken der unternehmerischen Verwendung des Vermögenswerts. Andere Vermögenswerte und Geschäftsvorfälle sowie Chancen und Risiken sind entsprechend der allgemeinen Regeln der §§ 5 bis 11 BsGaV zuzuordnen.
284 Im Versicherungsgeschäft ist für die Übernahme des Versicherungsrisikos die Personalfunktion des Zeichnungsprozesses entscheidend (s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 94). Die Personalfunktion des Zeichnungsprozesses ist die Funktion, durch die die mit dem Versicherungsvertrag verbundenen Chancen und Risiken, insbesondere das versicherungstechnische Risiko, für das Versicherungsunternehmen entstehen. Ziel des Zeichnungsprozesses ist, die versicherten Risiken im Verhältnis zur Preisgestaltung der entsprechenden Versicherungsverträge sachgerecht einzustufen (s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 35). Der Zeichnungsprozess (s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 69) ist somit die unternehmerische Risikoübernahmefunktion für Versicherungsunternehmen (§ 24 Absatz 1 Satz 2 BsGaV).
285 Der Zeichnungsprozess besteht aus folgenden fünf Schritten (§ 24 Absatz 1 Satz 3 BsGaV) (s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 34 und Tz. 35):
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a) Festlegung der Zeichnungsstrategie (§ 24 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 BsGaV) Die Festlegung der Zeichnungsstrategie, die von dem für die Zeichnungsentscheidung im Versicherungsgeschäft oder Rückversicherungsgeschäft zuständigen Personal einzuhalten ist, ist Teil des Risikomanagements und muss auf die fachlichen Fähigkeiten und Kompetenzen des Personals des Versicherungsunternehmens zugeschnitten sein. Die Zeichnungsstrategie
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definiert die Parameter für die Höhe des zu versichernden Risikos, die sowohl allgemein, aber auch detailliert gehalten sein können, |
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bestimmt Art und Umfang der Geschäftstätigkeit des Versicherungsunternehmens und |
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ist nach den Umständen des Einzelfalls ein wichtiger Faktor für die Rentabilität des Versicherungsgeschäfts. |
Für die Bedeutung der Festlegung der Zeichnungsstrategie kommt es entscheidend darauf an, in welchem Ausmaß diese aktiv zum Zeichnungsprozess beiträgt (s. OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 70 und Tz. 94). |
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b) Risikoklassifizierung und Risikoauswahl (§ 24 Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 BsGaV) Der Prozess der Klassifizierung und Auswahl des versicherten Risikos ist der Zeichnungsprozess im engeren Sinne. Dieser Prozess umfasst die Analyse des spezifischen Risikos und der diesbezüglichen Risikokategorie. Je nach Risiko, Kosten und Marktbedingungen bestimmt dieser Prozess den Preis (die Prämie), ggf. unter Anwendung entsprechender Prämientabellen. Der Prozess der Risikoklassifizierung und Risikoauswahl kann darüber hinaus die Aufgabe beinhalten, das Risiko auszuwählen und die Kapazitätsgrenzen zu überprüfen. Grundanforderungen sind die Klassifizierung von Risiken auf der Basis ausgewählter Kriterien und der Verwendung einschlägiger Statistiken. |
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c) Preisgestaltung (§ 24 Absatz 1 Satz 3 Nummer 3 BsGaV) Die Preis- und Konditionengestaltung der Prämien für einen Vertrag kann ein wesentlicher Bestandteil des Zeichnungsprozesses sein. Handelt es sich um ein standardisiertes Produkt und werden die Prämien mit Bezugnahme auf anwendbare Prämientabellen festgelegt, hat die Preisgestaltung des Vertrags – wenn die Klassifizierung des Risikos abgeschlossen ist – für den Zeichnungsprozess keine Bedeutung. Im Lebensversicherungsgeschäft wird die Preisgestaltung des versicherten Risikos von Aktuaren i.S.d. § 141 VAG (§ 11a VAG a.F.) vorgenommen, auch hier hat die Preisgestaltung für den Zeichnungsprozess keine Bedeutung. |
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d) Analyse der Risikoweitergabe (§ 24 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 BsGaV) Im Rahmen des Zeichnungsprozesses kann auch entschieden werden, welcher Teil des versicherten Risikos (durch das Versicherungsunternehmen) selbst getragen werden sollte und welcher Teil an einen Rückversicherer abgegeben wird und zu welchen Bedingungen. |
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e) Annahme der versicherten Risiken (§ 24 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 BsGaV) Die Entscheidung, einen Versicherungsvertrag abzuschließen, ist der Teil des Zeichnungsprozesses, der das Versicherungsunternehmen dem Versicherungsrisiko aussetzt. Für die Gewichtung dieses Teils des Zeichnungsprozesses ist der Entscheidungsspielraum des dafür zuständigen Personals ent... |