Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
291 Die einzelnen Schritte, die zur Personalfunktion des Zeichnungsprozesses gehören (s. Rn. 285), können in zwei oder mehr Versicherungsbetriebsstätten ausgeübt werden (Funktionsaufteilung, s. Rn. 42). In diesen Fällen muss es sich aus der Funktions- und Sachverhaltsanalyse ergeben, welchen Schritten der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses (bis zum Abschluss des Versicherungsvertrags) die größte Bedeutung zukommt, wo die einzelnen Schritte der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses ausgeübt werden und welche qualitative Bedeutung die jeweiligen Schritte unter den jeweiligen Gegebenheiten haben (s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 37). Hierzu sind insbesondere die Personalfunktionen zu identifizieren, die eine aktive unternehmerische Entscheidung für die Übernahme des Versicherungsrisikos erfordern (s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 94). Eine solche aktive unternehmerische Entscheidung kann auch in der Entscheidung bestehen, bestimmte Funktionen auszugliedern und anschließend zu kontrollieren.
292 Die relative qualitative Bedeutung eines bestimmten Schritts der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von Faktoren wie der Art des Versicherungsgeschäfts oder dem Geschäftsmodell. Der Zeichnungsprozess ist für komplexe Risiken (wie z.B. Lebensversicherungsrisiken oder Erdbebenversicherungsrisiken) viel schwieriger und und für die Zuordnung bedeutungsvoller als für standardisierte Produkte (wie z.B. für über das Internet verkaufte Reiseversicherungen, s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil IV Tz. 48 ff. und Tz. 69).
293 Folgende Faktoren sind bei der qualitativen Gewichtung der fünf Schritte des Zeichnungsprozesses, unter Beachtung der Besonderheiten der einzelnen Versicherungszweige, zu beachten:
|
die Finanzkraft des Versicherungsunternehmens, |
|
die versicherungsaufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf die maximale Risikokapazität, |
|
die fachlichen Kompetenzen und Fähigkeiten des Personals, |
|
die Verfügbarkeit und die Kosten einer Rückversicherung durch unverbundene Dritte sowie |
|
die strategischen Geschäftsziele des Versicherungsunternehmens. |
294 Die Personalfunktion des Zeichnungsprozesses überwiegt, wenn die in einer Versicherungsbetriebsstätte ausgeübten Schritte der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses i.S.d. § 24 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 5 BsGaV (s. Rn. 285) gegenüber den im übrigen Unternehmen ausgeübten Schritten der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses qualitativ überwiegen (s. Rn. 42). Die qualitative Gewichtung der einzelnen Schritte der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses hat anhand von sachgerechten Zuordnungskriterien zu erfolgen, insbesondere unter Beachtung der in Rn. 293 genannten Faktoren, z.B. mittels einer Skala von 1 bis 5, wobei 1 für "geringe Bedeutung" und 5 für "hohe Bedeutung" steht.
295 Kann ein qualitatives Überwiegen der in einer Versicherungsbetriebsstätte ausgeübten Schritte der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses nicht festgestellt werden, so können ausnahmsweise die entstandenen Personalkosten der geeignete Maßstab für die Aufteilung i.S.d. § 24 Absatz 3 Satz 2 BsGaV sein (s. Rn. 42). Hierzu hat das Versicherungsunternehmen die Aufteilung der Personalkosten für den Zeichnungsprozess, gesondert nach den fünf Schritten des Zeichnungsprozesses (s. Rn. 285) nachzuweisen. Der Nachweis ist durch Vorlage einer Kostenstellenrechnung, die nach Versicherungszweigen und Versicherungsbetriebsstätten gegliedert ist, oder durch vergleichbare Unterlagen zu führen.
Fall – Überwiegen der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses:
Das in Staat A ansässige Versicherungsunternehmen X (X) betreibt in Staat B durch seine Versicherungsbetriebsstätte B (B) das Versicherungsgeschäft im Versicherungszweig Kraftfahrzeugversicherung. X macht glaubhaft, dass die Personalfunktion des Zeichnungsprozesses in der Versicherungsbetriebsstätte und im übrigen Unternehmen unter qualitativen Gesichtspunkten wie folgt ausgeübt wird:
Zeichnungsprozess |
Gewichtung (siehe Rn. 294) |
X |
B |
Festlegung der Zeichnungsstrategie Risikoklassifizierung und Risikoauswahl Preisgestaltung Analsyse der Risikoweitergabe Annahme der versicherten Risiken |
3 3 2 2 2 |
3 2 1 |
3 1 2 |
Summe: |
12 |
6 |
6 |
Außerdem legt X eine Kostenstellenrechnung vor, aus der sich folgende Aufteilung der Personalkosten ergibt:
Zeichnungsprozess |
Personalkosten X |
Personalkosten B |
Festlegung der Zeichnungsstrategie Risikoklassifizierung und Risikoauswahl Preisgestaltung Analyse der Risikoweitergabe Annahme der versicherten Risiken |
300 0 150 75 0 |
|
0 400 0 100 175 |
|
Summe: |
525 |
|
675 |
|
Lösung:
Nach qualitativen Gesichtspunkten kann kein Überwiegen der von B ausgeübten Schritte der Personalfunktion des Zeichnungsprozesses gegenüber den von X ausgeübten Schritten (jeweils Faktor 6) i.S.d. § 24 Absatz 3 Satz 1 BsGaV festgestellt werden. Nach quantitativen Gesichtspunkten überwiegen die Personalkosten von B, weshalb die unternehmerische Risikoübernahmefunktion im vorliegenden Fall...