Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe
Solange der Unternehmer keiner gesetzlichen Buchführungspflicht (§ 238 HGB; §§ 140, 141 AO, auch ausländische Vorschriften lt. BFH, Urteil v. 20.4.2021, IV R 3/20, BFH/NV 2021 S. 1256) unterliegt oder nicht freiwillig Bücher führt und Abschlüsse erstellt, kann er zwischen der Einnahmenüberschussrechnung und der Buchführung wählen und somit auch freiwillig Bücher führen.
Einzelheiten zur Wahl der Gewinnermittlungsart s. Erläuterungen zu → Anlage G – Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Wahl der Gewinnermittlungsart.
Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, müssen die ihrer Gewinnermittlung zugrunde liegenden Belege aufbewahren (§ 147 AO). § 4 Abs. 3 EStG enthält selbst keine Verpflichtung zur Aufzeichnung von Einnahmen und/oder Betriebsausgaben.
Allerdings kann auch bei der EÜR von den besonderen Aufzeichnungspflichten des § 4 Abs. 7 EStG im Hinblick auf die beschränkt abzugsfähigen Betriebsausgaben nicht abgesehen werden. Eine geordnete Belegsammlung genügt diesen Anforderungen nicht. Dieser Aufzeichnungspflicht wird nur genügt, wenn die betroffenen Aufwendungen jeweils von Anfang an, fortlaufend und zeitnah, gesondert von sonstigen Betriebsausgaben schriftlich festgehalten werden, weil nur so die sachlich zutreffende Zuordnung solcher Aufwendungen und die einfache Prüfung ihrer Abziehbarkeit gewährleistet ist (Hessisches Finanzgericht, Urteil v. 13.10.2022, 10 K 1672/19, Rev. beim BFH Az. VIII R 6/24).
Im Übrigen bedeutet das Fehlen einer Verpflichtung zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben nicht, dass das Finanzamt die erklärten Gewinne oder Verluste stets ungeprüft hinnehmen muss. Der Steuerpflichtige trägt das Risiko, dass das FA oder das FG die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann und deshalb die Voraussetzungen für eine Schätzung gem. § 162 AO erfüllt sind. Zur (Hinzu-)Schätzung berechtigen auch formelle Mängel der Aufzeichnungen über Bareinnahmen, die zwar keinen sicheren Schluss auf eine Einnahmenverkürzung zulassen, aber dazu führen, dass keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen besteht (BFH, Urteil v. 6.5.2024, III R 14/22).
Der Steuerpflichtige trägt somit, trotz fehlender Aufzeichnungspflicht, die Beweislast für die Richtigkeit seiner Angaben. Kommt er dieser nicht nach, können die Voraussetzungen für eine Schätzung nach § 162 Abs. 1 AO erfüllt sein (BFH, Beschluss v. 13.3.2013, X B 16/12, BFH/NV 2013 S. 902).
Darüber hinaus sind aber auch Unterlagen aufzubewahren, die auf den ersten Blick keinen direkten Bezug zur Besteuerung haben. So ist z. B. eine branchenspezifische Aufzeichnungspflicht (hier: Fahrlehrer) nach § 140 AO zugleich auch eine steuerrechtliche Pflicht (FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 1.4.2014, 5 K 1227/13, EFG 2014 S. 1320). Ob Rechnungsnummern fortlaufend vergeben werden müssen, ist umstritten (BFH, Beschluss v. 31.5.2023, X B 111/22, BFH/NV 2023 S. 958; FG Köln, Urteil v. 7.12.2017, 15 K 1122/16, EFG 2018 S. 375). Allgemein gilt, dass Einnahmenüberschussrechner die Erfüllung der Anforderungen an die Aufzeichnungen nach den Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) zu beachten haben, wobei die Unternehmensgröße zu beachten ist (BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001, Rn. 15, BStBl 2019 I S. 1269, teilweise geändert durch BMF, Schreiben v. 11.3.2024, IV D 2 – S 0333/23/10001 :001, BStBl 2024 I S. 370). Weitere klarstellende Ausführungen finden sich in BFH, Urteil v. 12.2.2020, X R 8/18, BFH/NV 2020 S. 1045.
Einnahmen sind grds. einzeln aufzuzeichnen. Das gilt auch für Bareinnahmen. Dies kann z. B. durch Kassenberichte erfolgen. Diese sind aber nicht ordnungsgemäß, wenn sie regelmäßig durch den Steuerberater berichtigt und die Kassenbestände ersetzt werden (Niedersächsisches FG, Urteil v. 8.12.2011, 12 K 389/09, EFG 2013 S. 291). Geringfügige Mängel in der Kassenführung rechtfertigen keine weitergehenden Hinzuschätzungen (FG Münster, Urteil v. 9.3.2021, 1 K 3085/17 E, G, U, 8, EFG 2021 S. 904, Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH anhängig unter Az. V B 26/21). Bei der EÜR ist es auch nicht erforderlich, dass die Ausgangsrechnungen unveränderbar sind. Verwendet der Unternehmer eine Software, die eine Löschung oder Änderung der erstellten Rechnungen ohne entsprechende Dokumentation ermöglicht, rechtfertigt dies keine Hinzuschätzung nach § 162 AO (Niedersächsisches FG, Urteil v. 3.6.2021, 11 K 87/20, rkr.).
Eine Verpflichtung zur Führung eines Kassenbuchs für die Überschussermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG besteht jedoch nicht (BFH, Beschluss v. 16.2.2006, X B 57/05, BFH/NV 2006 S. 940). Umstritten ist die Auffassung, dass ein Einnahmenüberschussrechner verpflichtet sein soll, monatlich die Summe seiner Ein- und Ausgangsrechnungen sowie Bank- und Kassenbelege zu ziehen (FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 29.11.2011, 5 K 5045/07, BFH, Urteil v. 12.12.2017, VIII R 5/14, BFH/NV 2018 ...