Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe
Rz. 807
Gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Gewinne aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art (z. B. Darlehen, DAX-Zertifikate, Genussrechte, Gewinnobligationen, Optionsanleihen, Schuldverschreibungen). Davon ausgenommen sind Kapitalforderungen, die vor dem 1.1.2009 angeschafft wurden.
Auch die Veräußerung privater Forderungen fällt unter die Vorschrift. Eine Veräußerung zu einem symbolischen Kaufpreis (von z. B. einem Euro) könnte eine Möglichkeit der Verlustrealisierung sein. Auch wenn einem Kaufpreis lediglich symbolische Funktion zukommt, liegt gleichwohl eine entgeltliche Veräußerung vor. Denn diese ist auch dann anzunehmen, wenn objektiv wertlose Anteile ohne Gegenleistung zwischen fremden Dritten übertragen werden (BFH, Urteil v. 6.4.2011, IX R 61/10, BFH/NV 2011 S. 1575). Das Urteil ist zwar zu § 17 EStG ergangen, dürfte aber auch auf § 20 EStG anzuwenden sein.
Rz. 808
Mit seiner Entscheidung, dass der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG einem Verkauf der Forderung gleichzusetzen ist und in der privaten Vermögenssphäre zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust führen kann, hat der BFH die Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgegeben. Aufgrund der Vorschriften zur Abgeltungsteuer können danach alle Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erfasst werden, sowohl positiv als auch negativ.
Ein Verlust liegt vor, wenn die Rückzahlung der Kapitalforderung unter dem Nennwert des hingegebenen Darlehens bleibt. Die Zinszahlungen bleiben dabei außer Betracht. Allerdings verlangt der BFH den endgültigen Forderungsausfall, d. h. dass weitere Rückzahlungen nicht mehr zu erwarten sind. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens reicht hierfür i. d. R. nicht aus; bei einer Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse sind die Voraussetzungen erfüllt (BFH, Urteil v. 24.10.2017, VIII R 13/15, BFH/NV 2018 S. 280; BFH, Urteil v. 27.10.2020, IX R 5/20, BFH/NV 2021 S. 961; BMF, Schreiben v. 3.6.2021, IV C 1 – S 2252/19/10003:002, Rn. 60, BStBl 2021 I S. 723).
Der Verzicht auf eine nicht werthaltige Forderung steht einem Forderungsausfall gleich und führt zu einem steuerlich anzuerkennenden Veräußerungsverlust (BFH, Urteil v. 6.8 2019, VIII R 18/16, BFH/NV 2020 S. 52; BMF, Schreiben v. 3.6.2021, IV C 1 – S 2252/19/10003:002, Rn. 61, BStBl 2021 I S. 723).
Allerdings werden die Verluste nur berücksichtigt, wenn die Kapitalforderung nach dem 31.12.2008 begründet worden ist (§ 52 Abs. 28 Satz 15).
Auch derartige Verluste unterliegen der Verlustverrechnungsbeschränkung (→ Tz 816) für Kapitaleinkünfte (§ 20 Abs. 6 EStG).
Zu beachten ist die neu eingeführte Beschränkung der Verlustverrechnung ab 2020 bzw. 2021 (→ Tz 816 ff.).
Rz. 809
Anders kann die steuerliche Beurteilung bei einer qualifizierten Beteiligung (mehr als 1 %) aussehen, die unter § 17 EStG fällt (→ Tz 1021 ff.). Die Regelungen des § 17 EStG haben Vorrang vor der Besteuerung nach § 20 EStG. Damit können z. B. ausgefallene Forderungen nicht als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen geltend gemacht werden, wenn sie als AK einer Beteiligung anzusehen sind.