Dipl.-Finanzwirt Kirsten Happe
Kinder, die infolge einer Behinderung außerstande sind, selbst (finanziell) für ihren Unterhalt zu sorgen, können unabhängig vom Alter berücksichtigt werden. Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. bzw. u. U. 27. Lebensjahres eingetreten ist.
Kinder mit Behinderung
Behinderte Kinder können ohne Altersbegrenzung berücksichtigt werden, wenn die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist und sich das Kind behinderungsbedingt nicht selbst unterhalten kann, d. h. nicht über ausreichende Mittel (Einkünfte, Bezüge) verfügt, um seinen notwendigen Lebensbedarf zu decken. Gleiches gilt auch für Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres bzw. vor dem 1.1.2007 vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen Behinderung außerstande sind, sich selbst finanziell zu unterhalten.
Die Behinderung muss ursächlich dafür sein, dass das Kind nicht zum Selbstunterhalt fähig ist. Dies nimmt die Finanzverwaltung bei einem Grad der Erwerbsminderung von mindestens 50 % oder dem Merkzeichen "H" (hilflos) im Schwerbehindertenausweis an. In anderen Fällen wird eine Bescheinigung des behandelnden Arztes oder bei seelischer Behinderung das Sachverständigengutachten eines Psychologen gefordert.
Zu vergleichen ist der gesamte existenzielle Lebensbedarf des Kindes einerseits und seine verfügbaren finanziellen Mittel andererseits (BFH, Urteil v. 27.10.2021, III R 19/19, BFH/NV 2022 S. 388). Ein Kind kann sich nicht selbst unterhalten, wenn es seinen notwendigen Lebensbedarf (allgemeiner Lebensbedarf für Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und Heizung; anzusetzen mit mindestens dem steuerlichen Existenzminimum von 11.784 EUR und behinderungsbedingter Mehrbedarf mindestens in Höhe des maßgebenden Pauschbetrags für behinderte Menschen) nicht durch eigene Einkünfte und Bezüge decken kann. Nicht als Bezüge des Kindes anzurechnen sind Kindergeld (BFH, Urteil v. 27.11.2019, III R 28/17, BFH/NV 2020 S. 1135) sowie eine dem Kind gezahlte Opferrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (BFH, Urteil v. 20.4.2023, III R 13/21, BFH/NV 2023 S. 663). Nach aktueller Rechtsprechung genügt eine erhebliche Mitursächlichkeit der Behinderung des Kindes für seine mangelnde Fähigkeit zum Selbstunterhalt für den Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes auch dann, wenn es nach § 63 des Strafgesetzbuchs (StGB) in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist (BFH, Urteil v. 30.1.2024, III R 42/44).
Vereinfachungsregelungen
Wenn die dem Kind zur Verfügung stehenden Einkünfte und Bezüge, die nicht zweckgebunden sind, d. h. nicht für behinderungsbedingte Kosten gezahlt werden, den Grundfreibetrag von 11.784 EUR im Jahr nicht übersteigen, wird angenommen, dass das Kind sich nicht selbst unterhalten kann.
Soweit das Kind in einem Heim/einer Wohngruppe vollstationär untergebracht ist und es außer Eingliederungshilfe einschließlich Taschengeld keine weiteren Einkünfte oder Bezüge hat, kann ebenfalls davon ausgegangen werden, dass die eigenen Mittel des Kindes nicht ausreichen, um sich selbst zu unterhalten.