Kommentar
Die Finanzverwaltung hat sich zur Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer unter dem zeitlichen Anwendungsbereich des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens geäußert. Sie reagiert damit auf die sog. Meilicke-Rechtsprechung.
Rechtsprechung zur Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer
Zum besseren Verständnis werden zunächst kurz die Urteile des EuGH v. 6.3.2007, C – 292/04 "Meilicke I" und v. 30.6.2011, C – 262/09 "Meilicke II "dargestellt. Darin hat der EuGH entschieden, dass im körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren auch ausländische Körperschaftsteuer anzurechnen ist. Ohne eine mit § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG vergleichbare Anrechnung würde es sonst zu einer Doppelbesteuerung kommen. Für die Anrechnung ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht der Nachweis der auf ausländischen Dividenden lastenden Körperschaftsteuer erforderlich. Daran anschließend hat der BFH in seinem Schlussurteil v. 15.1.2015, I R 69/12 geurteilt, dass die Vorlage einer" nur-formellen" Körperschaftsteuerbescheinigung der depotführenden Bank nicht genügt, wenn dadurch der materiell-rechtliche Anrechnungsbetrag nicht definitiv belegt werden kann.
Offene Fragen der Praxis
Für die Praxis haben sich seither folgende Fragen gestellt:
- Welche konkreten Belege und Nachweise werden benötigt?
- Welche Voraussetzungen müssen für eine Anrechnung erfüllt sein?
- Nach welcher Methode ist der Anrechnungsbetrags zu ermitteln?
Aktuelles BMF-Schreiben
Deshalb ist es erfreulich, dass nun – wenn auch nach langer Zeit – eine Äußerung der Finanzverwaltung vorliegt, die Antworten zu diesen offenen Fragen enthält.
Belege und Nachweise
Die Nachweislast liegt beim Steuerpflichtigen. Die Finanzämter sollen alle Belege anfordern, aus denen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuergutschrift eindeutig und überprüfbar ersichtlich werden können. Dies sind insbesondere
- die ausländische Handelsbilanz,
- der Steuerbescheid bzw. Anmeldedaten der ausländischen Gesellschaft,
- die Bestandskraft der Steuerfestsetzung,
- eine Darlegung der Einkommensermittlung nach ausländischem Recht,
- der Ausschüttungs- bzw. Gewinnverteilungsbeschluss,
- ein Nachweis für die Beteiligungsquote
- und (bei beherrschenden Gesellschaftern bzw. wesentlich beteiligten Anteilseignern) ein Nachweis, dass kein Ausschlussgrund i.S.d. § 36a KStG a.F. vorliegt.
Ggf. können die Finanzämter auch weitere Unterlagen anfordern, wie z.B. die Steuerbilanz, beglaubigte Übersetzungen, etc. Unter Umständen sind auch Unterlagen aus den Vorjahren erforderlich, sofern sich mit diesen eine Anrechnung der ausländischen Steuer in voller Höhe nachvollziehen lässt.
Voraussetzungen für Anrechnung
Nur wenn das für die Ausschüttung verwendete Eigenkapital einer Körperschaftsteuer unterlegen hat, ist eine auf die Ausschüttung entfallende ausländische Körperschaftsteuer anrechenbar. Das ist nicht der Fall, wenn die Ausschüttung ganz oder teilweise aus Einkommensteilen resultiert, die keiner Steuerbelastung unterlagen, z.B. aus steuerfrei vereinnahmten Dividenden.
Zudem ist zu prüfen, ob
- eine Vergleichbarkeit der ausländischen Körperschaftsteuer gegeben ist,
- ggf. ein Ausschluss der Anrechnung der Körperschaftsteuer nach § 36a EStG a.F. greift,
- die Körperschaftsteuer nicht bereits mittelbar angerechnet wird und
- die Ausschüttung (ab 1996 zzgl. der anrechenbaren Steuer) als Einnahme erfasst ist.
Ermittlung des Anrechnungsbetrags
Es ist zulässig, dass der Anrechnungsbetrag ausgehend vom letzten maßgeblichen Wirtschaftsjahr "retrograd" berechnet wird. Als Ausfluss der unionsrechtlichen Vorgaben ist für die Höhe der anrechenbaren ausländischen Steuer eine gleichwertige und möglichst weitgehende Übertragung des Anrechnungssystems auf den grenzüberschreitenden Fall vorzunehmen. Allerdings soll dabei keine günstigere Behandlung als für einen Inlandsfall erfolgen. Deshalb ist
- die Anrechnung der ausländischen Steuer begrenzt auf 36 % (bis 1993) bzw. 30 % (ab 1994).
- Ist der ausländische Steuersatz höher, ist die Anrechnung auf 9/16 bzw. 3/7 der aus belastetem Eigenkapital finanzierten Ausschüttung begrenzt.
- Ist der ausländische Steuersatz niedriger, bildet dieser die Obergrenze der Anrechnung (z.B. bei Steuersatz 20 %, Anrechnung max. 20/80).
- Die Anrechnung der ausländischen Steuer darf die auf die Dividende entfallende inländische Steuer nicht übersteigen.
Anwendung
Diese Grundsätze sind in allen offenen Fällen auf erhaltene Ausschüttungen anzuwenden, die noch nicht unter die Regelungen des Halbeinkünfteverfahrens (i.d.F. des StSenkG v. 23.10.2000, BGBl 2000 I S. 1433) fallen. Zudem sind die Grundsätze auch auf Ausschüttungen von Drittstaaten-Gesellschaften anzuwenden.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 7.10.2024, IV C 2 - S 2700/21/10001 :003