Leitsatz
Eine KapESt auf Erträge aus Investmentfonds ist nur dann anzurechnen, wenn die entsprechenden Kapitalerträge beim Anleger oder bei seinem Rechtsvorgänger als Einnahmen erfasst worden sind.
Normenkette
§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und Abs. 7 InvStG a.F.
Sachverhalt
Der Kläger erhielt im Jahr 1998 von seiner Mutter unentgeltlich Anteile an der niederländischen Kapitalgesellschaft; bei dieser handelt es sich um einen Investmentfonds, der keine Gewinne ausschüttete und dessen Erträge bis zum VZ 2003 dem AuslInvestmG (a.F.) und seit dem VZ 2004 dem InvStG (a.F.) unterliegen (vgl. § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 3 InvStG a.F.). Die von ihm thesaurierten Erträge gelten als mit Ablauf des Geschäftsjahrs des Fonds zugeflossen (§ 17 Abs. 1 S. 3 AuslInvestmG a.F.; § 2 Abs. 1 S. 2 InvStG a.F.); die darauf entfallende KapESt wird erst bei Veräußerung oder Rückgabe der Anteilsscheine einbehalten und abgeführt (§ 18a Abs. 1 Nr. 3 AuslInvestmG a.F.; § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InvStG a.F.).
Der Kläger veräußerte die Anteile im Dezember 2004; die beauftragte Bank führte für nach dem 31.12.1993 bis zum Verkaufstag angefallene ausschüttungsgleiche Erträge ZASt ab und erstellte eine entsprechende Steuerbescheinigung.
In seiner ESt-Erklärung für 2004 (Streitjahr) erklärte der Kläger im Zusammenhang mit den Anteilen keine steuerpflichtigen Einnahmen. Er beantragte jedoch die Anrechnung der einbehaltenen und abgeführten ZASt.
Dem folgte das FA im Ergebnis nur z.T.: Es erfasste in den ESt-Bescheiden für 2000 bis 2003 ausschüttungsgleiche Erträge und rechnete die darauf entfallende KapESt im Streitjahr an. Von einer Erfassung ausschüttungsgleicher Erträge für die Vorjahre sah es im Hinblick auf den Ablauf der maßgeblichen Festsetzungsfristen ab; ebenso wurde auf diese Erträge entfallende KapESt nicht angerechnet. Die für 2004 zuvor ergangene Anrechnungsverfügung änderte das FA entsprechend ab.
Der Kläger beantragte nunmehr den Erlass eines Abrechnungsbescheids, wobei er darauf hinwies, dass die auf die Erträge aus 1994 bis 1999 entfallenden KapESt nicht angerechnet worden seien. Das FA erließ daraufhin einen solchen Bescheid, in dem es an seiner bisherigen Handhabung festhielt.
Die Klage gegen den geänderten Abrechnungsbescheid blieb erfolglos (FG München, Urteil vom 26.05.2009, 13 K 3451/07, Haufe-Index 2186658, EFG 2009, 1472).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache zurück:
Zwar sei die KapESt vermutlich in der Tat nicht anzurechnen, das aber nur dann, wenn die zugrunde liegenden Kapitaleinkünfte auch tatsächlich nicht im Rahmen einer Veranlagung bei der Mutter des Klägers erfasst worden sein sollten. Das sei noch weiter aufzuklären.
Hinweis
1. Nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG wird die durch Steuerabzug bei Erträgen aus Investmentanteilen (§ 2 Abs. 1 S. 1 InvStG a.F.) erhobene KapESt angerechnet. Das ergibt sich aus § 7 Abs. 7 InvStG, der die entsprechende Anwendung von § 36 Abs. 2 EStG anordnet. Fraglich ist, ob diese "entsprechende Anwendung" auf eine bloße Rechtsfolgenverweisung – eben die Anrechnung – hinausläuft oder ob es sich um eine sog. Rechtsgrundverweisung handelt, welche die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 EStG mit einschließt. Der BFH hat sich zu letzterem bekannt:
2. Eine KapESt-Anrechnung ist folglich nur unter den in § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG genannten Voraussetzungen möglich, was erfordert, dass die anzurechnende Steuer auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte oder auf bestimmte bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleibende Bezüge entfällt. Alles andere widerspricht dem Sicherungszweck des Steuereinbehalts, Steuerverkürzungen und Steuerausfälle zu vermeiden. Anrechnung und zuvorige Erfassung sollen deshalb gewissermaßen nach Art "kommunizierender Röhren" in wechselseitiger, systematischer Abhängigkeit stehen; "Anrechnungsüberhänge" gilt es zu vermeiden.
3. Allerdings: Nach dem System des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InvStG a.F. besteht zwischen dem Zufluss ausschüttungsgleicher Erträge und der Abführung der darauf entfallenden KapESt keine zeitliche Korrespondenz. Die ausschüttungsgleichen Erträge gelten mit Ablauf des Geschäftsjahrs, in dem sie (vom Investmentfonds) vereinnahmt worden sind, als (dem Anleger) zugeflossen (§ 2 Abs. 1 S. 2 InvStG a.F.); der Anleger muss sie daher – dem investitionssteuerrechtlichen Transparenzprinzip entsprechend – in dem VZ versteuern, in dem der Investmentfonds sie erzielt hat. Dagegen wird die auf ausschüttungsgleiche Erträge entfallende KapESt erst dann erhoben, wenn der Anteil veräußert oder zurückgegeben wird.
Das kann im Einzelfall zur Folge haben, dass die Abzugsteuer zulasten eines Anlegers einzubehalten ist, dem die entsprechenden Einnahmen nicht zuzurechnen sind, während derjenige, der tatsächlich die Einnahmen erzielt hat, nicht mit KapESt belastet wird, z.B. bei einer unentgeltlichen Übertragung der Investmentanteile in der Zeit zwischen der Erzielung der ausschüttungsgleichen Erträge und dem Eintritt des die KapESt auslös...