Leitsatz
Werden bei der Berechnung des steuerfreien fiktiven Zugewinnausgleichs unentgeltliche Zuwendungen angerechnet, dann erlischt die dafür gezahlte Schenkungsteuer- und dies mit Wirkung für die Vergangenheit.
Sachverhalt
Die Klägerin lebte mit ihrem Ehemann bis zu dessen Tod im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Es ergab sich für die Klägerin als überlebende Ehefrau ein höherer Zugewinn als für den verstorbenen Ehemann.
Der Ehemann machte der Ehefrau u. a. eine Vorschenkung, für die das Finanzamt nach dem Tod des Ehemannes Schenkungsteuer festsetzte. Gegen den Schenkungsteuerbescheid legte die Klägerin Einspruch ein.
Sie begründet diesen wie folgt:
Der auf Basis des § 5 Abs. 1 ErbStG fiktiv zu ermittelnde Zugewinnausgleichsanspruch sei steuerfrei zu stellen. Dies erfolge bei einer Anrechnung von Vorschenkungen auf den Zugewinnausgleichsanspruch über die Regelung des § 29 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG, nach der für die angerechneten Beträge die Schenkungssteuer mit Wirkung für die Vergangenheit erlösche.
Das Finanzamt wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung ab. Es vertritt dabei die folgende Auffassung:
Es liege kein Fall des § 29 ErbStG vor. Diese Norm setze voraus, dass für Zwecke des § 5 ErbStG unentgeltliche Zuwendungen gem. § 1380 BGB auf die Zugewinnausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten - tatsächlich und nicht nur fiktiv - angerechnet worden seien. Da vorliegend der Zugewinn der Klägerin höher sei als der ihres verstorbenen Ehemannes, habe die Klägerin von vornherein keinen Zugewinnausgleichsanspruch. Wenn ein solcher Zugewinnausgleichsanspruch bereits dem Grunde nach nicht bestehe, könnten auch keine Schenkungen auf diesen angerechnet werden. Eine Anrechnung nach § 1380 BGB komme überhaupt erst in Betracht, wenn eine Ausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten bestehe, wobei es keine Rolle spiele wie nach § 1380 Abs. 2 BGB die Ausgleichsforderung weiter berechnet werde; die dort vorgenommene Präzisierung der Rechenschritte sei erst von Bedeutung, wenn dem überlebenden Ehegatten überhaupt eine Ausgleichsforderung zustehe.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf die Steuerfreistellung der unentgeltlichen Zuwendung weiter.
Entscheidung
Das Finanzgericht hat die zulässige Klage in vollem Umfang als begründet angesehen.
Demnach ist die Steuerfestsetzung rechtswidrig und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Die unentgeltliche Zuwendung ist zunächst der Schenkungsteuer zu unterwerfen, aber die Steuer erlischt gem. § 29 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG i. V. m. § 5 Abs. 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit. Es begründet seine Auffassung u. a. wie folgt:
Bei der Ermittlung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung der Klägerin nach § 5 Abs. 1 ErbStG war die streitgegenständliche Schenkung als Vorausempfang nach § 1380 BGB anzurechnen. Sie minderte den Betrag, der der Klägerin güterrechtlich nach § 1371 Abs. 2 BGB als Ausgleichsanspruch zugestanden hätte und der gem. § 5 Abs. 1 ErbStG im Rahmen der Erbschaftsteuer nach dem verstorbenen Ehemann steuerfrei zu stellen war.
Auch wenn nach der Berechnung im Streitfall kein Anspruch der Klägerin nach § 1371 Abs. 2 BGB verbleibt, der als fiktiver Zugewinnausgleichsanspruch nach § 5 Abs. 1 ErbStG freizustellen war, ist dies unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, dass der Anspruch allein aufgrund der Vorabzuwendungen weggefallen ist.
Unter Berücksichtigung der Anwendung der Anrechnungsregelung des § 1380 BGB kommt das Finanzgericht in seiner Berechnung zu einem höheren Zugewinn des Erblassers und dementsprechend auf eine Zugewinnausgleichsforderung. Auf diese nach der Definition des § 1380 Abs. 2 BGB ermittelte Zugewinnausgleichsforderung der Klägerin sind sodann die bereits von der Klägerin erhaltenen Vorausempfänge anzurechnen - soweit ihre Forderung reicht -, also höchstens bis zur Minderung ihrer Forderung auf 0 EUR. Eine Forderung des zuwendenden Ehegatten kann sich aus der Vorschrift, für den Fall überhöhter, also die Ausgleichsforderung des empfangenden Ehegatten übersteigender Zuwendungen, nicht ergeben.
Mit diesem Verständnis des § 1380 BGB, das letztlich zu der Anrechnung der hier bereits zu Lebzeiten von der Klägerin getätigten Vorausempfänge auf die freizustellende, fiktive Ausgleichsforderung nach § 5 Abs. 1 ErbStG führt, folgt das Finanzgericht erkennende Senat nicht der Rechtsauffassung des Finanzamts.
Hinweis
Das Finanzgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil vom 18.01.2018, 7 K 513/16