Bedarfsabfindung im Scheidungsfall
Hintergrund: Pauschalabfindung für den Scheidungsfall
Die (zukünftige) Ehefrau (F) schloss anlässlich ihrer Eheschließung in 1998 mit ihrem (späteren) Ehemann (E) einen Ehevertrag, in dem sie Gütertrennung und den Ausschluss des gesetzlichen Versorgungsausgleichs vereinbarten. Für den Fall der Scheidung wurde der F ein indexierter Zahlungsanspruch eingeräumt, der bei 15-jähriger Dauer der Ehe 2 Mio. DM betragen sollte.
Die Ehe wurde nach 15 Jahren (2014) geschieden. E zahlte an F den vereinbarten Ausgleichsbetrag.
Bei der Festsetzung der SchenkSt gegen F erfasste das FA den Betrag als freigebige Geldzuwendung nach StKl II mit 30 % (unter Berücksichtigung von Vorerwerben und des Freibetrags von 20.000 EUR).
Das FG wies die dagegen erhobene Klage mit der Begründung ab, die Zuwendung sei freigebig gewesen, da sie nicht mit einer Gegenleistung der F verknüpft worden sei. Aus der Vereinbarung könne kein Verzicht der F auf eine Zugewinnausgleichsforderung abgeleitet werden.
Entscheidung: Keine freigebige Zuwendung bei pauschaliertem Zugewinnausgleich
Der BFH widerspricht dem FG. Das FG-Urteil und der SchenkSt-Bescheid wurden aufgehoben. Die Leistung des E erfüllt nicht den Besteuerungstatbestand einer freigebigen Zuwendung.
Steuerbare freigebige Zuwendung bei Pauschalabfindung gegen zukünftigen Zugewinnausgleichsanspruch
Die Zahlung einer "Pauschalabfindung" unter Preisgabe eines (möglicherweise) künftig entstehenden Zugewinnausgleichanspruchs vor Eingehung der Ehe ist eine steuerbare freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Denn die Zahlung wird weder zur Befriedigung eines (außervertraglichen) Forderungsrechts noch als Gegenleistung für einen Verzicht getätigt (BFH v. 17.10.2007, II R 53/05, BStBl II 2008, 256). Ein Forderungsrecht besteht in diesen Fällen nicht. Denn die Zugewinnausgleichsforderung entsteht erst, wenn die Zugewinngemeinschaft endet. Der Verzicht auf den möglicherweise künftig entstehenden (aber vor Beginn der Ehe völlig unsicheren) Zugewinnausgleich gegen eine Pauschalabfindung fällt außerdem unter § 7 Abs. 3 ErbStG. Danach werden nicht in Geld messbare Gegenleistungen nicht berücksichtigt.
Aber keine steuerbare Zuwendung bei umfassender Regelung der gegenseitigen Ansprüche ("Bedarfsabfindung")
Anders ist es jedoch, wenn die zukünftigen Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung (abweichend von den gesetzlichen Leitbildern) umfassend individuell regeln und für den Fall der Beendigung der Ehe (z.B. durch Scheidung) Zahlungen eines Ehepartners an den anderen vorsehen, die erst zu diesem Zeitpunkt zu leisten sind ("Bedarfsabfindung"). Bei einer Bedarfsabfindung wird keine pauschale Abfindung ohne Gegenleistung erbracht. Es werden lediglich die Rechte und Pflichten der künftigen Ehegatten durch umfangreiche Modifikation der familienrechtlichen Ansprüche im Wege einer Pauschalierung neu austariert. Wird ein derartiger Vertrag nach Art eines Gesamtpakets abgeschlossen, mit dem alle Scheidungsfolgen geregelt werden, kann dieses Paket nicht in Einzelleistungen aufgeteilt und eine Einzelleistung der SchenkSt unterworfen werden. Damit würde verkannt, dass ein solcher Vertrag einen umfassenden Ausgleich aller Interessengegensätze anstrebt und insofern keine der Einzelleistungen ohne Gegenleistung ist. Wird die Ehe dann tatsächlich (z.B. durch Scheidung), beendet, erfolgt die Zahlung des vorab vereinbarten Betrages in Erfüllung dieser Vereinbarung.
Keine Anwendung von § 7 Abs. 3 ErbStG
Auf eine solche Vereinbarung ist auch § 7 Abs. 3 ErbStG nicht anwendbar. Während bei Zahlung einer Pauschalabfindung zu Beginn der Ehe ein Zugewinnausgleichsanspruch in Zukunft ungewiss ist und damit nicht bewertet werden kann, ist bei der Bedarfsabfindung die Zahlung des Ausgleichsanspruchs an die Beendigung der Ehe geknüpft. Der Zahlungsanspruch ist damit aufschiebend bedingt und erwächst erst mit Eintritt der Bedingung zum Vollrecht. Allein der Umstand, dass die Eheleute es mit einem solchen Vertrag vermeiden, die gegenseitigen Ansprüche auf diesen Zeitpunkt bewerten zu müssen, bedeutet nicht, dass diese Bewertung nicht grundsätzlich möglich wäre.
Im Streitfall liegt keine freigebige Zuwendung vor
Die Zahlung des E erfüllt nicht den Tatbestand einer freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Denn E hat sich nicht zu einer sofortigen Pauschalabfindung ohne Gegenleistung verpflichtet. F sollte erst im Fall einer Scheidung eine Zahlung zur Abgeltung verschiedener familienrechtlicher Ansprüche erhalten. Diese wurden lediglich dem Umfang nach durch die vorherige Vereinbarung modifiziert. Hinzu kommt, dass es sich bei der Abfindungszahlung nicht um eine singuläre Abrede zwischen F und E handelte. Vielmehr ist die Klausel in ein Vertragskonvolut über die Rechtsfolgen der Eheschließung eingebettet. Das verbietet eine isolierte Betrachtung. Außerdem fehlt es am subjektiven Willen zur Freigebigkeit. Aus Sicht des E diente die Abfindungszahlung dem Schutz seines Vermögens vor unwägbaren finanziellen Verpflichtungen infolge einer Scheidung. Mit seiner Leistung wollte er eine in einem kausalen Zusammenhang stehende Gegenleistung erhalten.
Hinweis: Pauschaler Ausgleich im Rahmen eines Gesamtpakets
Der Streitfall verdeutlicht den Unterschied zu dem Urteil v. 17.10.2007, II R 53/05 (BStBl II 2008, 256). Dieses Urteil betraf die vor der Ehe getroffene Vereinbarung einer Pauschalabfindung gegen einen möglicherweise künftig entstehenden Zugewinnausgleichsanspruch. Damit liegt eine freigebige Zuwendung vor, da eine Zugewinnausgleichsforderung erst mit der Scheidung entsteht und bis dahin Veränderungen unterworfen sein kann. Im Streitfall geht es dagegen um die Regelung aller Scheidungsfolgen nach einer gewissen Dauer der Ehe im Rahmen eines Gesamtpakets i.S. eines umfassenden Ausgleichs der Interessengegensätze. Es liegen daher keine Einzelleistungen ohne Gegenleistung vor.
BFH Urteil vom 01.09.2021 - II R 40/19 (veröffentlicht am 27.01.2022)
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