Leitsatz
Im Rahmen des § 122 Abs. 2 AO ist § 108 Abs. 3 AO nicht anwendbar (gegen BFH, Beschluss v. 23.9.2003, IX R 68/98, DStR 2003 S. 1792, DB 2003 S. 2266).
Auch bei unterjähriger Auflösung der Ansparabschreibung durch einen Einnahmen-Überschuss-Rechner ist ein Gewinnzuschlag (Erhöhungsbetrag) in Ansatz zu bringen.
Sachverhalt
Der Kläger, der seinen Gewinn gem. § 4 Abs. 3 EStG ermittelte, hatte in den Vorjahren eine Ansparrückstellung gem. § 7 g EStG gebildet und diese in seiner Buchhaltung zum 31.10.2000 aufgelöst. Das Finanzamt setzte für 2000 einen vollen Erhöhungsbetrag gem. § 7 g Abs. 5 i.V.m. § 7 g Abs. 6 EStG an. Der Kläger meinte, da er die Rücklage unterjährig aufgelöst habe, habe die Rücklage kein volles Wirtschaftsjahr bestanden, so dass für 2000 kein Gewinnzuschlag erfolgen dürfe. Gegen die am 18.7.2002 (Mittwoch) zur Post gegebene und mithin als am 21.07.2002 (Sonntag) als bekannt gegeben geltende Einspruchsentscheidung erhob der Kläger am 22.8.2002 Klage.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG war die Klage verspätet, da die Klagefrist am 21.08.2002 abgelaufen gewesen sei. Im Rahmen der Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO finde § 108 Abs. 3 AO, der die Frist bis zum nächsten Werktag verlängert, wenn der fiktive Bekanntgabezeitpunkt auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Sonnabend fällt, keine Anwendung. Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand könne ebenfalls nicht gewährt werden, da innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) die die Wiedereinsetzung stützenden Gründe nicht hinreichend vorgetragen worden seien. Vorsorglich prüfte das Gericht aber auch die materiell-rechtliche Frage und war der Auffassung, daß die Klage auch unbegründet gewesen sei, weil auch bei einem Steuerpflichtigen, der den Gewinn gem. § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, durch vorzeitige Auflösung der Rücklage innerhalb eines Wirtschaftsjahres der Gewinnzuschlag für dieses Wirtschaftsjahr nicht vermieden werden könne. Soweit etwa Schmidt/Drenseck, EStG § 7 g Rdziff. 26 und andere Kommentatoren der Auffassung seien, dass der Überschussrechner durch vorzeitige Rücklagenauflösung innerhalb des Wirtschaftsjahres anders als der bilanzierende Steuerpflichtige ein "volles Wirtschaftsjahr" umgehen könne, sei dem nicht zu folgen. Es sei kein Grund ersichtlich, den Überschussrechner gegenüber dem Bilanzierenden besser zu stellen. Der Gewinnzuschlag sei bewusst pauschal ausgestaltet. Der für ein angefangenes Wirtschaftsjahr eingetretene Steueraufschub trete unabhängig davon ein, ob die Auflösung der Rücklage unterjährig oder erst zum Ende des Jahres (bei Bilanzerstellung) erfolge. Die Auswirkungen des Steueraufschubs, der mit der Bildung der Rücklage verbunden ist, könnten erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres und nach Einreichung der Einkommensteuererklärung (§ 149 Abs. 2 AO) und der Gewinnermittlung für dieses Jahr durch die Festsetzung der entsprechenden Einkommensteuer kompensiert werden. Da dieser Steueraufschub unabhängig von der Gewinnermittlungsart eintrete, muß dieser - angesichts des Postulats der Totalgewinnidentität - unabhängig hiervon kompensiert werden.
Hinweis
Bezüglich der Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO und der Frage, ob dann, wenn das Ende der 3-Tages-Frist auf einen Sonntag fällt, gem. § 108 Abs. 3 AO die Klagefrist erst am nächsten Werktag zu laufen beginnt, hat der BFH zwischenzeitlich anderweitig entschieden. Nach der BFH-Rechtsprechung wäre die Klage mithin zulässig gewesen.
Soweit das Finanzgericht prüft, ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, ist erneut mit aller Deutlichkeit darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung der Finanzgerichte und des BFH § 56 Abs. 2 FGO dahingehend auszulegen ist, daß innerhalb der 2-Wochen-Frist auch alle die der Anspruchsbegründung dienenden Tatsachen vorgebracht werden müssen. Lediglich die Glaubhaftmachung kann im weiteren Verfahren erfolgen. Dies gilt auch dann, wenn die Wiedereinsetzung, da die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt wurde, ausnahmsweise auch ohne Antrag gewährt werden könnte. Dabei beginnt die 2-Wochen-Frist in dem Augenblick, in dem dem Kläger seitens des Gerichts die Eingangsbestätigung mit dem Zugangsdatum zugegangen ist.
Dies bedeutet für die Praxis: Wenn vom Finanzgericht die Bestätigung über den Eingang der Klage erteilt wird, muß der Kläger die Einhaltung der Klagefrist erneut prüfen. Ist die Klage verspätet, muß innerhalb der Frist von 2 Wochen vorsorglich ein Wiedereinsetzungsantrag trotz der Möglichkeit, Wiedereinsetzung nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO von Amts wegen zu gewähren, gestellt werden und dieser mit Angabe aller Tatsachen begründet werden. Es empfiehlt sich auch die sofortige Glaubhaftmachung, etwa durch eidesstattliche Versicherung, wenngleich die Glaubhaftmachung auch später noch erfolgen kann.
Hinsichtlich der Beurteilung des Gewinnzuschlags bei unterjähriger Auslösung einer Ansparrücklage vertritt das FG Bremen (Urteil vom 12.08.2002, 1 K 245/01) die g...