Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
Hat eine natürliche Person durch Anmeldung eines Gewerbes ernsthaft die Absicht bekundet, unternehmerisch i.S.d. § 2 UStG tätig zu werden, ist ihr außer in Fällen eines offensichtlichen, auf die Umsatzsteuer bezogenen Missbrauchs auf Antrag eine Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke zu erteilen.
Normenkette
§ 2, § 14, § 14a, § 15 UStG, Art. 12 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Der Kläger, ein polnischer Staatsangehöriger, erklärte in dem Fragebogen zur Betriebseröffnung, ein Gewerbe als Fliesen- und Estrichleger aufgenommen zu haben. Seinen Antrag, ihm eine Steuernummer zu erteilen, lehnte das FA dennoch unter Hinweis auf die nach seiner Ansicht fehlende Selbstständigkeit der Tätigkeit des Klägers ab.
Nachdem der Einspruch des Klägers erfolglos geblieben war, verpflichtete das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.08.2007, 5 K 364/06, Haufe-Index 1810926, EFG 2007, 1929) das FA, dem Kläger eine Steuernummer zu erteilen. Diesem stehe ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Zuteilung einer Steuernummer zu, da er ohne Steuernummer im Rechtsverkehr nicht handlungsfähig sei und bei unternehmerischem Tätigwerden nach § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UStG jeder Rechnung zwingend eine Steuernummer beifügen müsse.
Die Unternehmereigenschaft als solche sei erst im Rahmen des Besteuerungsverfahrens zu prüfen und die Finanzbehörden seien nicht berechtigt, dem Steuerpflichtigen gleichsam zur Gefahrenabwehr bereits im Vorfeld seines Tätigwerdens die steuerliche Erfassung zu versagen.
Entscheidung
Dem folgte jetzt der BFH und wies die Revision des FA als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Zwar ist ein öffentlich-rechtlicher Anspruch von Unternehmern i.S.d. § 2 UStGauf Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke weder im Gemeinschaftsrecht noch im inländischen Recht ausdrücklich vorgesehen; ein solcher Anspruch ergibt sich aber mittelbar aus § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UStG, wonach eine Rechnung u.a. die dem leistenden Unternehmer vom FA erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthalten muss.
2. Dies wird letztlich in § 14 Abs. 2 S. 1 UStG für den Unternehmer aufgegriffen, der danach u.a. bei Leistungen an Unternehmer verpflichtet ist, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Im Gegenzug kann der Leistungsempfänger das Recht auf Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 UStG nur ausüben, wenn er eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte, und also eine Steuernummer enthaltende Rechnung besitzt. Die Steuernummer dient danach nicht nur der rein verwaltungstechnischen Erfassung von Steuerpflichtigen und der Durchführung des Besteuerungsverfahrens, sie ist vielmehr regelmäßig Voraussetzung für ein selbstständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden, soweit nicht ausnahmsweise ausschließlich Umsätze ausgeführt werden sollen, für die die Ausstellung einer Rechnung mit Angabe der Steuernummer nicht vorgeschrieben ist.
3. Nach überzeugender Auffassung des BFH besteht der Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke bereits dann, wenn der Antragsteller ernsthaft erklärt, ein selbstständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden zu beabsichtigen. Denn wenn die Erteilung der Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke regelmäßig Voraussetzung für ein solches Tätigwerden ist, dann kann sie nicht davon abhängig gemacht werden, dass eine entsprechende Tätigkeit bereits aufgenommen wurde.
4. Abweichendes – so klipp und klar der BFH – gilt lediglich in offensichtlichen Missbrauchsfällen, in denen dann die Erteilung der Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke ausnahmsweise abgelehnt werden kann. Was genau unter derartigen Missbrauchsfällen verstanden werden kann, macht das Gericht durch den Hinweis deutlich, dass sich "der Missbrauch auf die Umsatzsteuer beziehen"muss. Anders ausgedrückt: Nur wenn sich der Missbrauch zumindest auch auf die Umsatzsteuer erstreckt, kommt die Versagung der Steuernummer in Betracht. Ein derartiger Fall ist nach den Ausführungen des BFH insbesondere in dem Fall gegeben, dass offenkundig das Ziel verfolgt wird, den Vorsteuerabzug für zu privaten Zwecken bezogene Lieferungen oder Leistungen zu Unrecht in Anspruch nehmen zu können. Das wiederum muss das FA darlegen und im Prozess auch nachweisen. Ausländerrechtliche oder arbeitsmarktpolitische Fragen können hingegen naturgemäß nicht berücksichtigt werden, weil es schon an der Zuständigkeit der Finanzbehörden fehlt.
5. Gegen die grundsätzliche Verpflichtung zur Erteilung einer Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke allein aufgrund der abgegebenen ernsthaften Erklärung, ein selbstständiges gewerbliches oder berufliches Tätigwerden zu beabsichtigen, kann nicht eingewandt werden, dass sich daraus eine Bindungswirkung für die spätere Festsetzung von Umsatzsteuer oder Umsatzsteuer-Vorauszahlung ergäbe. Eine gesetzliche Grundlage für eine solche Bindungswirkung gibt es nämlich nicht. Beim Erlass von Umsatzsteuerbescheiden ist vielmehr die Unternehmereigensc...