§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO stellt die steuerliche Berücksichtigung von Grundlagenbescheiden in den entsprechenden Folgebescheiden sicher, indem das FA zur Anpassung ggf. über eine Bescheidänderung verpflichtet wird. Da das FA somit von Amts wegen tätig werden muss, ist ein Antrag auf Änderung (z.B. bisher nicht angesetzter Verlustbeträge) grundsätzlich nicht erforderlich.
Beraterhinweis Allerdings sollte die zutreffende Berücksichtigung des Grundlagenbescheids im Folgebescheid genau geprüft werden. Denn es kommt immer wieder vor, dass das FA die erforderliche Anpassung des Folgebescheides (z.B. des Einkommensteuerbescheides) an den Grundlagenbescheid (z.B. des Gewinnfeststellungsbescheides) versäumt, indem die ihm vorliegende Mitteilung über die festgestellten Besteuerungsgrundlagen nicht oder unzutreffend ausgewertet wird. Ist dies der Fall, sollte umgehend ein Änderungsantrag gestellt werden, denn nach Ablauf der Festsetzungsfrist (unter Berücksichtigung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO) ist eine Bescheidänderung nicht mehr möglich.
Wird ein Änderungsantrag gestellt, bewirkt dieser eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO (BFH v. 24.5.2006 – I R 9/05, BFH/NV 2006, 2019; v. 24.5.2006 – I R 93/05, BStBl. II 2007, 76 = AO-StB 2006, 309).
- Wird ein Grundlagenbescheid bei einer erstmaligen Steuerfestsetzung oder einer Folgeänderung nicht beachtet, ist das Änderungsrecht gleichwohl nicht verbraucht. Vielmehr ist der Grundlagenbescheid nach wie vor geeignet, eine spätere nochmalige Änderung des Folgebescheids zu rechtfertigen (BFH v. 9.8.2016 – VIII R 27/14, BStBl. II 2017, 822 = AO-StB 2017, 9).
- Die "absolute Anpassungsverpflichtung" des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO wird durch eine unterlassene, unrichtige oder unvollständige Auswertung der Grundlagenentscheidung im Folgebescheid nicht beseitigt oder verbraucht, sondern bleibt solange bestehen, wie der Grundlagenbescheid in dem Folgebescheid noch nicht zutreffend berücksichtigt worden ist (FG Köln v. 26.8.2022 – 11 K 866/20, EFG 2023, 7). Dies betrifft nicht nur die Übernahme des Inhalts des Grundlagenbescheids, sondern auch die zutreffende Festsetzung der Steuer im Folgebescheid (FG Münster v. 26.8.2014 – 2 K 406/12 E, EFG 2015, 1584). § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ist auch dann anzuwenden, wenn die Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids sich nicht auf sämtliche Tatbestandsmerkmale einer steuerrechtlichen Vorschrift erstreckt (BFH v. 19.2.2019 – X R 17/18, BFH/NV 2019, 801 = AO-StB 2019, 238).
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