Leitsatz
Derjenige, der für den Arbeitgeber im Rahmen der Lohnsteuer- Außenprüfung auftritt, ist in der Regel nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht dazu befugt, einen Antrag auf Lohnsteuer-Pauschalierung zu stellen.
Normenkette
§ 40 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Das FG warf im finanzgerichtlichen Verfahren über eine LSt- Pauschalierung die Frage auf, ob die Klägerin, eine AG, überhaupt einen wirksamen Pauschalierungsantrag gestellt habe bzw. ob der Steuerreferatsleiter E der Klägerin bevollmächtigt gewesen sei, einen Antrag zu stellen. Dies obgleich während der LSt- Außenprüfung auch Ferngespräche zwischen dem Prüfer und E stattfanden sowie in Bestätigung dieser Gespräche dem FA ein Schreiben des E (dieses mitunterzeichnet durch einen Mitarbeiter der Klägerin mit dem Zusatz i.A.) übersandt wurde, in dem die Anregung enthalten war, die Nachversteuerung der Belegschaftsrabatte ... auf der Basis von Nettosteuersätzen vorzunehmen. Das FG vertrat gleichwohl die Ansicht, die Klägerin habe keinen Pauschalierungsantrag gestellt.
Entscheidung
Der BFH hielt die Revision des FA für begründet. Die Sache wurde an das FG zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Bei verständiger Würdigung enthalte das bezeichnete Schreiben des E einen wirksamen Pauschalierungsantrag der Klägerin. Sofern sich die Vertretungsmacht des E nicht bereits aus der ihm erteilten Handlungsvollmacht ergebe, sei die Klägerin nach den Grundsätzen über die Anscheinsvollmacht an den von E zusammen mit einem Mitarbeiter unterzeichneten Pauschalierungsantrag gebunden.
Hinweis
1. Die LSt-Pauschalierung nach § 40 EStG bedarf nach dem ausdrücklichen Wortlaut eines Antrags des Arbeitgebers. Die Pauschalierung kann dem Arbeitgeber also nicht aufgedrängt werden. Der Erklärung des Arbeitgebers muss entnommen werden können, dass er das Verfahren wünscht, welches seine Steuerschuldnerschaft und die Abgeltungswirkung auslöst (zu Letzterem: BFH, Beschluss vom 19.2.2002, VI B 240/01, BFH-PR 2002, 321).
Fehlt es an einem solchen Antrag, ist ein gleichwohl erlassener Nachforderungsbescheid rechtswidrig (zur den Rechtsfolgen eines fehlenden Pauschalierungsantrags: vgl. auch BFH, Urteil vom 7.2.2002, VI R 80/00, BFH-PR 2002, 220).
Wird der Verwaltungsvordruck (Wortlaut: "...wird die Pauschalierung der LSt nach § 40 EStG beantragt ... und die pauschale LSt übernommen") nicht verwendet, so können im Weg der Auslegung auch andere Erklärungen als Antrag i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 EStG in Betracht kommen.
2. Die Besprechungsentscheidung äußert sich vor allem zu Fragen der Vertretung des Arbeitgebers durch Bevollmächtigte (Handlungsvollmacht einschließlich Anscheinsvollmacht).
Es bedarf zunächst keiner besonderen Erklärung, dass – wie das FG im Streitfall irrig meinte – bei einer AG eine Vertretung nicht durch die organschaftlichen Vertreter erfolgen muss. Eine Vertretung kann z.B. auch durch Handlungsbevollmächtigte (§§ 54 ff. HGB) bzw. Prokuristen (§§ 48 ff. HGB) erfolgen.
Im Gegensatz zur BGB-Vollmacht legt § 54 HGB den Umfang der Handlungsvollmacht fest, um den Geschäftsverkehr zu erleichtern. Jeder Dritte, der mit einem Handlungsbevollmächtigten verhandelt oder Geschäfte abschließt, kann sich also darauf verlassen, dass dieser im Rahmen seiner Vollmacht wirksam handeln und vertreten kann.
3. Das vorliegende Urteil behandelt ferner Fragen der Rechtsscheinsvollmacht in Form der Anscheinsvollmacht. Danach gilt als Bevollmächtigter auch derjenige, der ohne Vollmacht gegenüber den Finanzbehörden wie ein Bevollmächtigter auftritt, wenn der von ihm durch sein Auftreten erzeugte Rechtsschein der Bevollmächtigung dem Vertretenen zurechenbar ist. Eine Anscheinsvollmacht liegt also vor, wenn der Vertretene das Handeln des angeblichen Vertreters nicht bzw. nicht nachgewiesenermaßen kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn ferner der "Geschäftsgegner" nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Vertretene billige das Handeln seines Vertreters.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.10.2002, VI R 13/01