Gleichlautende Ländererlasse v. 1.12.2019, S 0720, BStBl I 2019, 1142
Diese Erlasse ergehen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und treten mit Wirkung vom 1. Januar 2020 an die Stelle der Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 1. Dezember 2016 (BStBl 2016 I S. 1338).
Hinweis:
Die nachfolgend verwendeten Status-, Funktions- und anderen Bezeichnungen gelten für Frauen und Männer gleichermaßen. Die Verwendung nur einer Form dient allein der besseren Lesbarkeit.
Einführung
(1) Die nachfolgenden Anweisungen sollen der einheitlichen Handhabung des Gesetzes dienen und die reibungslose Zusammenarbeit der zur Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten berufenen Stellen der Finanzbehörden untereinander, mit anderen Stellen der Finanzbehörden sowie mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften gewährleisten.
(2) Die Anweisungen enthalten zur Erleichterung der Amtsgeschäfte eine Zusammenfassung von hierfür maßgeblichen Grundsätzen sowie Hinweise für deren praktische Anwendung. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird zum Teil der Gesetzeswortlaut wiederholt, im Übrigen wird nur auf die einschlägigen Gesetze verwiesen. Bei streitigen Rechtsfragen ist im Interesse einer einheitlichen Verfahrensweise die Auffassung der Verwaltung wiedergegeben.
(3) Die Anweisungen können wegen der Vielfalt der Lebensvorgänge, auf die sie sich beziehen, nur Anleitungen für den Regelfall geben. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, welche Maßnahmen im Rahmen der anzuwendenden Gesetze und der Rechtsprechung der Gerichte geboten sind.
Teil 1 Anwendungsbereich, gemeinsame Verfahrensgrundsätze
Abschnitt 1 Anwendungsbereich und anzuwendendes Recht
1.
(1) Die Anweisungen sind in allen Straf- und Bußgeldverfahren anzuwenden, in denen die Finanzbehörde ermittelt oder zur Mitwirkung berufen ist. Sie sind von allen Bediensteten der Steuerfahndung (Steufa) und der Bußgeld- und Strafsachenstellen (BuStra) zu beachten, ferner von Bediensteten anderer Stellen der Finanzbehörden, soweit es sich um die Zusammenarbeit mit jenen Stellen handelt oder wenn sie Maßnahmen im Straf- oder Bußgeldverfahren treffen.
(2) Für Steuerstraftaten gelten die allgemeinen Gesetze über das Strafrecht, soweit die Strafvorschriften der Steuergesetze nichts anderes bestimmen. Für Steuerordnungswidrigkeiten gelten die Vorschriften des Ersten Teils des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, soweit die Bußgeldvorschriften der Steuergesetze nichts anderes bestimmen. Für das Strafverfahren wegen Steuerstraftaten gelten, soweit die §§ 386 ff. AO nichts anderes bestimmen, die allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich die Strafprozessordnung, das Gerichtsverfassungsgesetz, das Gerichtskostengesetz und das Jugendgerichtsgesetz (§ 385 AO). Die Menschenrechtskonvention und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind zu beachten.
(3) Die Rechtsgrundlagen der zwischenstaatlichen Amts- und Rechtshilfe in Steuer- und Steuerstrafsachen ergeben sich aus den §§ 117, 117a, 117b AO, dem Gesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen sowie multi- und bilateralen Verträgen. Wegen der zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen wird auf das BMF-Schreiben vom 23. November 2015; BStBl 2015 I S. 928 und wegen der zwischenstaatlichen Rechtshilfe in Steuerstrafsachen auf das BMF-Schreiben vom 16. November 2006, BStBl 2006 I S. 698 hingewiesen.
Abschnitt 2 Gemeinsame Verfahrensgrundsätze
2 Rechtliches Gehör
Anspruch auf rechtliches Gehör hat jeder an einem Ermittlungsverfahren Beteiligte. Insbesondere muss dem Beschuldigten Gelegenheit gegeben werden, tatsächliche und rechtliche Ausführungen zu machen und Beweisanträge zu stellen. Bei Maßnahmen, die nur den Gang des Verfahrens betreffen, bedarf es keiner Anhörung, z. B. vor der Bestimmung eines Termins. Bei anderen Maßnahmen kann die vorherige Anhörung unterbleiben, wenn andernfalls der Zweck der Anordnung gefährdet würde, so namentlich bei Beschlagnahmen und Durchsuchungen (§ 33 Abs. 4 StPO); dem von der Maßnahme Betroffenen muss jedoch dann nachträglich Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, wenn und soweit nach der Vollziehung der Anordnung noch ein Nachteil für ihn fortbesteht (BVerfG-Beschluss vom 9. März 1965 – 2 BvR 176/63, BVerfGE 18, 399 (404).
3 Verhältnismäßigkeit
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die jeweilige Maßnahme unter Würdigung aller persönlichen und sachlichen Umstände des Einzelfalles zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich ist und dass der mit ihr verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Stärke des Tatverdachts steht (Verbot des Übermaßes). Dies gilt vor allem bei Maßnahmen, von denen Unverdächtige betroffen werden (z. B. Durchsuchung von Gebäuden).
4 Faires Verfahren
(1) Das Recht auf faires Verfahren gehört zu den wesentlichen Grundsätzen des rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Es wird verwirklicht u. a. durch die Gewährung des rechtlichen Gehörs (vgl. Nummer ...