Leitsatz
Eine Steuerberatungs-GmbH mit buchführungspflichtigen Umsätzen ist nicht zur Steuerberechnung nach vereinnahmten Entgelten gem. § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG berechtigt.
Normenkette
§ 20 UStG 1999, Art. 10 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH mit Umsätzen über der Umsatzgrenze der Nr. 1 beantragte erfolglos die Ist-Versteuerung.
Das FG Düsseldorf wies die Klage – ebenso wie das FG München (FG München, Urteil vom 09.07.2008, 3 K 1150/05, EFG 2009, 374) in einem anderen Fall (Rev. V R 36/09) – als unbegründet zurück (FG Düsseldorf, Urteil vom 23.04.2008, 5 K 1105/05 U, Haufe-Index 2190333, EFG 2009, 885).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Die Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. Der BFH hatte keine Zweifel an der Vereinbarkeit der Regelung mit dem Unionsrecht (Art. 10 Abs. 2 der 6. EG-RL bzw. Art. 66 MwStSystRl), das den Mitgliedstaaten die Ist-Besteuerung "für bestimmte Umsätze oder für Gruppen von Steuerpflichtigen" ermöglicht und – nach EuGH-Rechtsprechung – einen erheblichen Spielraum einräumt. Anders als die Klägerin verneinte der BFH auch Zweifel an der Vereinbarkeit der Regelung mit unions- und verfassungsrechtlichen allgemeinen Grundsätzen wie das Neutralitätsgebot und das Verbot der Diskriminierung.
Hinweis
1. Nach § 20 Abs. 1 S. 1 UStG kann das FA auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer die Steuer nach den vereinnahmten Entgelten berechnet. Die Vorschrift enthält 3 Alternativen:
a) |
Nr. 1 betrifft alle Unternehmer ohne Rücksicht auf deren Buchführungspflicht, wenn der Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 125 000 EUR (im Streitfall; zurzeit bis zum 31.12.2011: 500 000 EUR) betragen hat. Nr. 2 betrifft Unternehmer, die von der Buchführungspflicht nach § 148 AO befreit sind. Hierzu hat der BFH im Urteil vom 11.02.2010, V R 38/08 (BFH/NV 2010, 1376, BFH/PR 2010, 309) unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte bereits entschieden, dass diese Alternative (nur) Unternehmer betrifft, die zum einen die Umsatzgrenze der Nr. 1 überschritten haben und zum anderen eine Entbindung von der allein steuerrechtlichen Buchführungspflicht (§ 141 Abs. 1 S. 1 AO) nach § 148 AO voraussetzt. Nach der Rechtsprechung zur Vorgängervorschrift des § 148 AO kam dies nur bei besonderen Härten in Betracht, die sich z.B. aus dem Überschreiten der Umsatzgrenzen aufgrund außergewöhnlicher und einmaliger Geschäftsvorfälle ergab. |
b) |
Die im Streitfall entscheidende Nr. 3 betrifft Unternehmer mit ihren Umsätzen aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. |
Mit der Verweisung auf Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG knüpft die Regelung – wie Entstehungsgeschichte und Zusammenhang der in § 20 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 bis 3 UStG genannten Alternativen ergeben – lediglich an die Art der Umsätze und im Übrigen nicht an die Rechtsform, in der diese getätigt werden, sondern an die Buchführungspflicht. Diese Alternative betrifft Umsätze, für die die Unternehmer vor Inkrafttreten dieser Vorschrift (und zugleich vor Inkrafttreten der AO 1977) nicht der (allein) steuerrechtlichen Buchführungspflicht unterlagen, nicht aber Umsätze, für die der Unternehmer aufgrund anderer als steuerrechtlicher Vorschriften buchführungspflichtig war. Unternehmer, die keine Bücher führen müssen – auch nicht aufgrund der steuerrechtlichen Regelungen –, sollten nicht allein wegen der USt zu zusätzlichen Aufzeichnungen gezwungen werden. Unternehmer mit den betreffenden Umsätzen, die aus nicht steuerrechtlichen Gründen Bücher führen müssen oder freiwillig Bücher führen, können daher die Ist-Besteuerung nicht erreichen.
2. Der Streitfall betraf zwar eine buchführungspflichtige GmbH, und die Aussage zur freiwilligen Buchführung ist nur ein "obiter dictum". Eine andere Beurteilung ließe sich aber mit dem Zweck der Regelung nicht vereinbaren.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.07.2010 – V R 4/09